Das Papsttum und Niederösterreich vom Hochmittelalter bis in das frühe 17. Jahrhundert. Die Vorträge des 40. Symposions des NÖ Instituts für Landeskunde in Kooperation mit dem Diözesanarchiv St. Pölten. Sommerrefektorium des Bistumsgebäudes St. Pölten, 4. bis 6. Juli 2022, red. von Jacqueline Schindler (NÖLA. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 21) St. Pölten 2024, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, K2-Landesarchiv, 421 S., ISBN 978-3-903127-48-7, EUR 30. – Aufbauend auf dem Werk Othmar Hageneders († 2020) und ohne die am Tag ihrer Einladung zur Teilnahme verstorbene Brigide Schwarz fand die zweimal wegen der Corona-Pandemie verschobene Tagung 2022 doch noch statt und sollte die zu selten begangene Brücke zwischen Papst- und Landesgeschichte schlagen, für deren enge Verbindung die genannten Namen stehen. In den Beträgen wird statt „Niederösterreich“ meist die den Großteil des Landes erfassende Diözese Passau als Rahmen gewählt. Jochen Johrendt (S. 12–27) skizziert grundlegend für das Folgende die Reform des 11. Jh. und die Herausbildung der Kurie als Herrschafts- und Verwaltungszentrum der Kirche als „Zeitalter des Gehorsams“. Den politischen Praxistest vollzieht Roman Deutinger (S. 28–43), der das Verhalten des bayerischen Adels mehr gegenüber Heinrich IV. und seinem Sohn als Gregor VII. und seinen Nachfolgern in den Blick nimmt und feststellt, dass der Konflikt in der Diözese Passau nach der ersten heißen Phase kleingehalten wurde und ein durchgängiges Zweilagerdenken fehl am Platz ist. Roman Zehetmayer (S. 44–74) verweist auf den auf niedrigem Niveau deutlichen Anstieg der Papsturkunden für „niederösterreichische“ Empfänger gegen 1200 und die nur selten verdichteten Beziehungen der Babenberger zur Kurie, bevor er sich dem nichtfürstlichen Adel zuwendet, für den Pilgerfahrten und eine frühe Bestätigung einer Schenkung zu verzeichnen sind, vor allem aber Berührungen mit und Betroffenheit von der päpstlichen und delegierten Gerichtsbarkeit bei Streitigkeiten mit Klöstern, was öfters Widerwillen hervorrief, letztlich aber zur Gewöhnung an die Bedingungen des neuen Rechts führte. Auch bei Rainer Murauer (S. 75–92) steht die päpstliche (Delegations-)Gerichtsbarkeit im späteren 12. und im 13. Jh. im Vordergrund, jedoch mehr aus dem Blickwinkel des kanonischen Rechts und des Verfahrens in Prozessen, wobei sich die beteiligten Kleriker und Laien oft auf den Umstieg in ein Schiedsverfahren einigten. Werner Maleczek (S. 93–125) stellt ausgewählte in oder durch das Land führende Legationen ab 1180 und, besser gesichert, 1197 wie auch die Legaten, soweit möglich samt ihrer Tätigkeit, ihren Fakultäten und ihren abgebildeten Siegeln vor, wobei die des Guido von Boulogne 1349/50, des Urbanisten Pileo da Prata 1379–1382, des Nikolaus von Kues 1450–1453 und des Bischofs Alexander von Forlì 1477–1483 im Detail besprochen werden. Herwig Weigl (S. 126–177) versucht den wenig geglückten Spagat zwischen einer Gebrauchsanweisung von Papsturkunden für wenig damit Vertraute und einzelnen Beobachtungen zur Papstnutzung in der Diözese Passau im 14. Jh. (Selbstanzeige). Zwei Beiträge sind den Registerserien des 15. Jh. gewidmet: Philipp T. Wollmann (S. 178–197) beschreibt die Tätigkeit und die Überlieferung der päpstlichen Pönitentiarie, stellt systematisch die Anliegen niederösterreichischer Petenten gemäß den Vorgaben der Behörde vor, wobei die Kriege zwischen Friedrich III. und Matthias Corvinus einen Schub an sanierungsbedürftigen Irregularitäten produzierten, und warnt davor, dem vorgegebenen Formular folgende Angaben zu wörtlich zu nehmen. Ulrich Schwarz (S. 198–221) stellt das Repertorium Germanicum vor und erläutert seinen Gebrauch im Druck und online wie auch seine Tücken anhand von Beispielen aus der Diözese Passau. Dem männlichen Gender-Bias wirkt Heidemarie Bachhofer (S. 222–252) entgegen, die 18 Frauenklöster als Empfänger von Papsturkunden namhaft macht, diese nach Materien geordnet präsentiert und dabei auch das 18. Jh. erreicht. Martin Wagendorfer (S. 253–272) kann in der Überlieferung der Historia Austrialis des Eneas Silvius Piccolomini (Pius II.) keine auch der nordalpinen Hss. der zweiten Redaktion in Niederösterreich lokalisieren, sieht man von einer vielleicht in Wien entstandenen Kopie (heute in Klosterneuburg) und dem Exemplar des Ladislaus Sunthaim ab, während die Oratio adversus Austriales überhaupt nur in Italien überliefert ist – gemäß der Empfehlung Carvajals, Eneas möge den Text erst nach seinem Abgang aus Österreich zirkulieren lassen. Wieder am urkundlichen Material in ausgefertigter und Registerüberlieferung geht Maximilian Alexander Trofaier (S. 273–298) der Beauftragung der Äbte des Wiener Schottenklosters als Exekutoren, delegierte Richter und Konservatoren in Österreich, Ungarn, Böhmen und Mähren nach, deren Belege er tabellarisch zusammenstellt, und kann tatsächliche Aktivitäten in diesen Funktionen und gelehrte Rechtskenntnisse der irischen Mönche nachweisen. Die letzten drei Beiträge fallen in die Neuzeit.
Herwig Weigl