Vivien Bienert, Das Augustiner-Chorherrenstift Böddeken. Bibliothek und Buchproduktion im 15. Jahrhundert (Forschungen zu Kunst, Geschichte und Literatur des MA 7) Köln 2024, Böhlau, 2 Bde. mit 423 u. 304 S., Abb., ISBN 978-3-412-52621-4, EUR 110. – Die kunsthistorische Kieler Diss. behandelt sowohl die Produktion von Hss. als auch die Buch- und Wandmalerei im Kloster Böddeken (Augustiner Chorherren, Bistum Paderborn) im 15. Jh. Nun sind die meisten Hss. dieser Provenienz nicht unbekannt, aber eine umfassende Darstellung lag bislang nicht vor. Neben dem Textband bietet B. auch einen opulenten Bildband mit 327 sehr guten Farbabbildungen. Böddeken war Mitglied der Kongregation von Windesheim, von dort gingen Impulse aus für die Reform zahlreicher Klöster in West- und Norddeutschland. B. tut sich unnötig schwer mit dem Verhältnis zwischen Reform und Buchproduktion: Wenn ein Kloster reformiert wird, braucht es häufig neues Personal und neue Hss. Beide konnten offensichtlich aus Böddeken bereitgestellt werden. Mit lobenswerter Akribie und unter Verwendung relevanter archivalischer Quellen stellt B. dar, welche Hss. in oder für Böddeken geschrieben und illuminiert wurden, welche Personen an der Produktion von Hss. beteiligt waren und, wenn nicht für die eigene Bibliothek, für welche Windesheimer Klöster diese bestimmt waren. Etwas spät und zögerlich ergibt sich auf S. 88f., dass es der Vf. eigentlich um die Buchmalerei und um die Ausmalung des Bibliotheksraums im Kloster Böddeken geht. Und gerade hier ist die Ernte etwas mager, nicht zuletzt, weil die Wandmalereien nur fragmentarisch erhalten sind. Die bemerkenswerte Kaiser-Papst-Szene (Abb. 52) wird nicht näher erläutert. Während zahlreiche Hss. hochwertige Fleuronnée-Initialen enthalten, sind nur wenige mit Deckfarbenminiaturen ausgestattet. Sie werden genau beschrieben, aber ihre Analyse und Einordnung in die westdeutsche Buchmalerei des späten 15. Jh. bleibt etwas oberflächlich. Der Katalogteil (S. 187–350) enthält ergiebige Beschreibungen von 75 Hss. aus dem Zeitraum 1418/21–1565, die nachweislich in Böddeken entstanden sind und/oder in der dortigen Bibliothek vorhanden waren. Leider wird bei Sammelhss. nicht angegeben, ob sie kodikologisch homogen sind oder aus mehreren kodikologischen Einheiten (Faszikeln, booklets) bestehen. Die Datierung auf das Jahr 1437 von Egmond, Sint-Adelbertabdij, Ms. G III 3995, bezieht sich vermutlich nur auf den ersten Faszikel (Kat. Nr. 6). Einzelne Beschreibungen erweisen sich stellenweise als lückenhaft: Brüssel, KB, Ms. II 6656, enthält sieben Miniaturen, die nicht beschrieben werden (Kat. Nr. 5 u. Abb. 83). Die enigmatische Datierung von Aberystwyth, NL of Wales, MS. 1222D, ist auf Abb. 81 sichtbar, fehlt aber in der Beschreibung (Kat. Nr. 1). Wenn B. in ihrer Schlussbetrachtung bedauert, dass die Böddeker Hss. „zum größten Teil nicht in Museen oder öffentlichen Sammlungen ausgestellt, sondern – nur Wenigen zugänglich – zerstreut in Archiven, Bibliotheken und Privatsammlungen aufbewahrt“ werden (S. 183), können wir dem, soweit öffentliche Archive und Bibliotheken gemeint sind, nicht beistimmen. Und wenn die Vf. „Text, Bild und Raum … als eine Einheit“ verstehen und thematisieren will (S. 186), findet dieser Ansatz keinen Niederschlag in ihrer Diss., wo diese Aspekte der Böddeker Hss. getrennt behandelt werden. Ein Register ist leider nicht vorhanden.
Eef Overgaauw