DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Fiona Fritz, The Multifunctionality of a Medieval Hagiography. A historical case study of the ‘Gesta et Passio’ and the making of the Danish royal Saint Cnut (c. 1100) (Beiträge zur Hagiographie 27) Stuttgart 2024, Franz Steiner, 250 S., ISBN 978-3-515-13597-9, EUR 50. – Die unter Betreuung von A. Bihrer in Kiel entstandene Diss. analysiert das wohl früheste in Skandinavien entstandene Werk über lokale Geschichte, die Gesta Swenomagni regis et filiorum eius et Passio gloriosissimi Canuti regis et martyris des Ælnoth v. Canterbury, im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit ihrer rekonstruierbaren Funktionen. Der Kern dieses Textes, die Märtyrervita des dänischen Königs Knud († 1086), ist hagiographisch, während die kurzen Beschreibungen vorangegangener und folgender Herrschaften von Knuds Vater Sven Estridsen und Knuds Brüdern chronikalische Züge tragen. Dass dieser hybride Text eine zielbewusst gestaltete Einheit darstellt, ist die zentrale These der Studie. Sie lässt sich in drei Teile gliedern: Es wird zunächst (1.) der Kontext in Ereignisgeschichte, Politik- und Kirchenhistorie erarbeitet, ehe (2.) die narrative Konstruktion des Heiligen und Strategien zur Förderung des Kults einerseits in großer Textnähe herausgearbeitet werden. Andererseits werden (3.) im letzten Teil der Text und seine Aussagen auf den weiteren soziopolitischen Kontext bezogen, indem das durch den Heiligen propagierte Königsideal, Implikationen für die Legitimation des Königshauses und für die Verfolgung kirchlicher Interessen untersucht werden. Die Biographie Ælnoths als Exilant in Dänemark legt den konsequent durchgeführten Vergleich mit Viten englischer heiliger Könige und englischer Kirchengeschichte nahe, wobei die Adaptionen beim Transfer in dänische Verhältnisse die Herausforderungen zeigen, einen skandinavischen Herrscher dieser Zeit als Märtyrer zu legitimieren. Ælnoths Strategien, einen Heiligen zu etablieren und im Sinn der Kirche zu funktionalisieren, v.a. durch den Fokus auf ideale Herrschaftsausübung, markante Christomimese und Reduktion von Wundern auf den Erweis der Heiligkeit, werden überzeugend und übersichtlich dargelegt, insbesondere die politisch-paränetische Dimension im Wechselspiel aus Legitimation der Dynastie und Verpflichtung auf ein Königtum im augustinischen Sinn. Die Arbeit ist bis auf die skandinavistische Forschung gründlich recherchiert. Eine Absicherung dort hätte nicht nur den angedeuteten Vergleich mit der Olafs-Hagiographie befördert, sondern auch Anschluss an bestehende Arbeiten zu politischen Dimensionen erzählter Vergangenheit hergestellt (L. Hermanson, Släkt, vänner och makt, vgl. DA 58, 846f.; R. Scheel, Lateineuropa und der Norden, vgl. DA 69, 412f.), deren Zugangsweisen und Erkenntnisse hier zum Teil wiederholt werden. Eine intensivere Diskussion hätte die Frage nach Knuds im Vergleich zu Olaf von Norwegen, Magnus von Orkney und Knud Lavard marginaler kultischer Relevanz verdient, könnte sie doch Knuds Funktion als „politischer“ Heiliger weiter konturieren. Abgesehen hiervon legt F. eine sehr solide, übersichtliche Studie vor, die modellhaft synchrone religiöse und politische Funktionen von Hagiographie an einer auch für vergleichende Studien hochinteressanten Quelle vorführt.

Roland Scheel