Hans-Joachim Schmidt, Neue Gesetze für ein besseres Leben? Überlegungen zu Praktiken und Theorien der Gesetzgebung im Mittelalter (Scrinium Friburgense 58) Wiesbaden 2024, Reichert Verlag, 303 S., ISBN 978-3-7520-0703-9, EUR 89. – Dem Vf. geht es um die Frage, ob ma. Gesetzgebung und Gesetzgeber das Ziel verfolgten, das Leben der Menschen zu verbessern. Entscheidend ist für ihn der Horizont legislativen Denkens: Gingen die Menschen des europäischen MA, Gesetzgeber wie Regelungsunterworfene, davon aus, dass ihr Handeln im Allgemeinen, die Änderung der rechtlichen Ordnung im Besonderen Nutzen steigern, ihr Leben verbessern konnte? Oder waren sie etwa einer statischen oder prädeterminierten Sicht auf die von ihnen erlebten Umstände verhaftet und fehlte es der Gesetzgebung bei dieser Sichtweise an der Möglichkeit, Änderungen herbeizuführen, jedenfalls solche zum Besseren? Kurz und in den Worten des Vf.: Gab es ein „Zutrauen in die Selbstwirksamkeit der Menschen“ (S. 25)? Dem Vf. geht es also nicht um – nur schlecht messbare – Ergebnisse, sondern um Intentionen (S. 35). Zur notwendigen Begriffsbestimmung des Gesetzes greift er auf einen auch in der modernen Rechtwissenschaft vertretenen Ansatz zurück: Gesetze seien generell-abstrakte Regelungen („umfassende Ordnungsanforderungen für eine große Handlungsbreite“, S. 26). Von ihnen getrennt wissen möchte er „Urkunden, die üblicherweise Vergünstigungen für einzelne Institutionen oder Personen sowie Festlegungen für einzelne Streitfälle in eine rechtliche Form brachten“ (ebd.) – man könnte von individuellen und gegebenenfalls konkreten Regelungen sprechen. Er verweist aber auch auf „Überlappungszonen zwischen beiden“ (S. 27). Der Vf. holt weit aus: Er zeichnet in chronologischer Ordnung antike, spätantike und ma. Auffassungen zur untersuchten Frage nach und damit die möglichen Vorlagen für und Einflüsse auf Denken über Gesetzgebung wie auch konkretes gesetzgeberisches Handeln. Gleichzeitig werden so natürlich auch Innovationen und Richtungswechsel deutlich. Eine Fortschrittserzählung ist das nicht, wie der Vf. selbst betont (S. 35), sondern die Herausarbeitung von legislativen Denkmöglichkeiten. Sein Fazit fällt entsprechend differenziert aus: Die Gestaltbarkeit menschlichen Lebens zum Besseren durch Legislativakte gehörte für einige ma. Autoren und Gesetzgeber zur Menge tragfähiger Rechtfertigungen für Gesetzgebung. Das schloss andere Begründungstraditionen nicht aus und verdrängte sie nicht vollständig. Weitere Erwägungen, vor allem die „Besserung“ älterer Texte oder die Aufnahme bereits bestehender Tradition, wurden nach wie vor vorgebracht, teils ergänzend. Die Studie leuchtet so nicht nur die Überzeugungen ma. Gesetzgeber, Juristen und Rechtsphilosophen aus, sondern schließt, ohne dies explizit aufzugreifen, zudem an die Erörterung frühneuzeitlichen Gesetzgebungsdenkens, insbesondere zur Herstellung der guten Policey und des Gemeinwohls, an. Die klaren und überzeugenden Analysen des Vf. gestatten daher nicht zuletzt auch, künftig frühneuzeitliche Diskurse besser nachzuvollziehen.
Carsten Fischer