Im Jahr 2023 fand der 74. Convegno der Società di Studi Romagnoli vom 6. bis 8. Oktober in Cervia statt, die Beiträge finden sich in Studi Romagnoli 74 (2023) S. 13–796. Traditionsgemäß decken die Vorträge alle Epochen von der Antike bis zur Zeitgeschichte ab. An dieser Stelle sollen einige ausgewählte Beiträge mit besonderem mediävistischen Bezug aufgeführt werden. Andrea Augenti, Una chiesa, un sigillo e un documento. La cattedrale di Cervia ritrovata? (S. 15–24), gibt einen Überblick über die Grabungskampagne der Univ. Bologna in Cervia Vecchia im Jahr 2023. Infolge der Überschwemmungen im Frühsommer konnten die Grabungen nicht wie geplant durchgeführt, sondern mussten auf den Ortsteil Prato della Rosa verlagert werden. Die Ergebnisse könnten auf die Kathedrale der ecclesia Ficuclensis hinweisen, die wohl erst im 13. Jh. ins neue Stadtzentrum von Cervia verlegt wurde. – Giorgio Milanesi, Medievalismo rinascimentale. Santo Stefano di Pisignano di Cervia nel suo contesto (S. 189–211), diskutiert die Renovierung der Kirche S. Stefano in Pisignano im Jahr 1521 unter den Fragestellungen, inwieweit Bauelemente der ottonischen Vorgängerkirche eingeflossen sind und ob das Projekt im Kontext eines weiter verbreiteten „medievalismo“ in der Renaissance gesehen werden kann. – Maurizio Abati / Marino Mengozzi, Il piviere di Pisignano: variazioni territoriali nei secoli X–XV (S. 213–251), widmen sich der Geschichte ebendieser Kirche vor 1521, deren Diözesanzugehörigkeit über lange Zeit zwischen Ravenna und Cesena umkämpft war. Die Vf. schildern die Geschichte der Pieve seit der Ersterwähnung 997 unter Auswertung der Diözesanarchive in Ravenna und Cesena und fügen in einem Anhang die Edition von sechs (teilweise bisher unedierten) Dokumenten aus dem Archivio Arcivescovile di Ravenna für das ausgehende 12. und das 13. Jh. hinzu (mit zahlreichen Kartenabbildungen). – Jean-Claude Hocquet, Il sale di Cervia nell’economia dell’Adriatico (secoli XII–XIX) (S. 287–311), beleuchtet die Geschichte des Salzabbaus und -handels von Cervia im MA und in der frühen Neuzeit. Die Bedeutung des Salzhandels involvierte praktisch alle politischen Akteure der Region, zunächst Ravenna und Venedig, dann in wachsendem Maß auch Bologna (und somit das Papsttum). Nach dem Intermezzo der Malatesta im ausgehenden 14. und im 15. Jh. konnte sich ab 1463 zunächst Venedig durchsetzen und sein Salzmonopol auf große Teile Zentralitaliens ausdehnen, bevor ab dem 16. Jh. die Salinen unter der Kontrolle der Päpste standen. – Anna Falcioni, Il commercio del sale Cervese dai registri contabili Malatestiani (S. 313–328), eine der ausgewiesenen Expertinnen zur Geschichte der Familie Malatesta, nimmt in einer detailreichen Studie die Periode der Herrschaft der Malatesta über Cervia (1383–1463) in den Blick. Die Basis bildet die reiche Überlieferung im Archivio di Stato di Pesaro-Urbino, Sezione di Fano. Im Fondo Codici Malatestiani sind zahlreiche Rechnungsbücher aus dem Ufficio del Maggiore Ufficiale de sal erhalten, die einen direkten Einblick in die hohe Bedeutung des Salzhandels für die Finanzen der Malatesta ermöglichen. Unmittelbar nach der Herrschaftsübernahme wurden Maßnahmen des Zuzugs nach Cervia ergriffen, mittels stark kontrollierter Handelsfirmen wurde ein Monopol aufgebaut, die Einnahmen finanzierten in hohem Maß den Haushalt der Malatesta. Chronischer Geldmangel führte schließlich 1463 zur Abtretung der Salzrechte an Venedig durch Malatesta Novello, der letztendlich auch Papst Pius II. zustimmte, um seine Kreuzzugspläne, die entscheidend von der Teilnahme Venedigs abhingen, nicht zu gefährden.
Thomas Hofmann