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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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 Nikolas Jaspert / Jan Rüdiger (Hg.), Thalassokratien im Mittelalter (Mittelmeerstudien 25) Paderborn 2024, Brill / Schöningh, 349 S., ISBN 978-3-506-79291-4, EUR 129. – „Was lange währt, wird endlich gut.“ Der erste Teil dieses bekannten Sprichworts gilt ohne Zweifel auch für diesen Sammelband, folgt man den Erklärungen der beiden Hg. im Vorwort. So lieferte eine Sektion am Deutschen Historikertag im Jahr 2010, die unter dem gleichen Titel geführt wurde, den Anstoß zu dieser Publikation. Seither ist jedoch viel Zeit vergangen, nicht alle Beiträger aus dem Jahr 2010 blieben dem Publikationsprojekt treu, dafür traten andere an ihre Stelle. Dies mag nicht weiter verwundern und muss auch nicht unbedingt schlecht sein. Zu beachten gilt in diesem Zusammenhang jedoch, dass aufgrund der mitunter langen Dauer zwischen der Abfassung und der tatsächlichen Drucklegung nicht alle Artikel den neuesten Forschungsstand widerspiegeln. Ohne Zweifel ist es aber ein großes Verdienst der Hg., das Thema Seeherrschaft für das ma. Europa sowie den benachbarten Mittelmeerraum aufzugreifen. Die Publikationsdichte zu diesem Themenfeld ist nach wie vor gering, obwohl in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Geschichtswissenschaft maritime Themen durchaus boomten – aber eben nicht unbedingt mit einem Fokus auf der Epoche des MA. In insgesamt neun Artikeln versuchen die Beiträger – bis auf Ulla Kypta übrigens tatsächlich ausschließlich Männer – der Frage nachzugehen, ob es im europäischen MA überhaupt so etwas wie Seeherrschaft gab und auch ein gewisses Bewusstsein dafür existierte. Nikolas Jaspert / Jan Rüdiger (S. 1–35) grenzen in einer durchaus gelungenen Einleitung das Themenfeld ein, legen den aktuellen Forschungsstand dar, arbeiten sich am Begriff Thalassokratie ab und geben einen Überblick über die Beiträge. Danach folgen acht Fallstudien, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Thematisch spannen sie einen weiten Bogen. Dieser reicht von Fragen nach der sozialen Konstruktion des Meers in der Wikingerzeit bei Daniel Föller (S. 37–96) oder nach einer möglichen muslimischen Thalassokratie im frühma. Mittelmeerraum durch Christophe Picard (S. 97–144) bis hin zu Finanzierungsstrukturen von Seeherrschaft im spätma. westlichen Mittelmeerraum am Beispiel von Genua und der Krone Aragón durch Urs Brachthäuser / Christian Alexander Neumann (S. 287–326) wie auch zu Seestrategien bei Mamluken und Osmanen vom 13. bis zum 16. Jh. durch Albrecht Fuess (S. 327–340). Dabei schwanken mit dem Umfang der Artikel, die von etwas über zehn bis fast fünfzig Seiten reichen, sowohl die ‘Tiefe’ als auch mitunter die Qualität. Ebenso sind die untersuchten Subthemen sehr unterschiedlich, eine übergreifende Klammer, abgesehen vom vagen Überthema der Thalassokratie, lässt sich genauso wenig erkennen wie eine einheitliche Struktur. Schwer wiegt auch, dass in diesem Sammelband zu ma. Seeherrschaft nur der christlich-lateinische Westen und die islamische Welt einen Platz fanden, der byzantinisch-griechische Osten Europas und des Mittelmeerraums jedoch gänzlich unerwähnt bleibt. Daher trifft der zweite Teil des eingangs erwähnten Sprichworts hier leider bestenfalls zum Teil zu. So wird zwar die eine oder der andere in diesem Sammelband interessante Anregungen für weitere (Detail-)Studien finden, ein gelungener und vor allem ‘abgerundeter’ Überblick zum Thema Seeherrschaft im MA liegt damit aber leider nicht vor.

Andreas Obenaus