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Loci sepulcrales. Places of Memory and Burial in the Middle Ages, ed. Carla Varela Fernandes / Catarina Fernandes Barreira / João Luís Inglês Fontes / Maria João Violante Branco / Mário Farelo (Textes et Études du Moyen Âge 102) Basel 2023, Fédération Internationale des Instituts d’Études Médiévales, XVII u. 594 S., Abb., ISBN 978-2-503-60658-3, EUR 75. – Der gewichtige Band mit Beiträgen in englischer, französischer, spanischer, portugiesischer und italienischer Sprache ist ein wertvoller Beitrag zur Geschichte des Todes im MA bis ins 15. Jh. Er geht zurück auf eine Tagung im Kloster Santa Maria da Vitória in Batalha, Portugal, im September 2017, was einen besonderen Schwerpunkt auf der Iberischen Halbinsel mit sich bringt. Thema der Versammlung waren die Orte des Totengedenkens, insbesondere Grablegen der Eliten laikaler oder kirchlicher Gemeinschaften. Während die Forschung zum Tod im MA sich meist auf Schriftquellen konzentriert, weitet der Band das Feld aus und bezieht Erkenntnisse aus der Geschichte, aus Kunst und Architektur, Liturgie, Musik, Archäologie und Anthropologie mit ein. Dazu kommt eine großzügige Ausstattung mit farbigen Abbildungen und einem knappen Register antiker, ma. und neuzeitlicher Autoren sowie einem separaten Hss.-Register. Jeder einzelne Beitrag ist mit einer eigenen Bibliographie der Quellen und Sekundärliteratur versehen, was den Band zu einer reichhaltigen Fundgrube für weitere Studien macht. Er gliedert sich in drei Sektionen. Die erste, Royal Pantheons, 5th–15th century, beginnt mit einer Arbeit von Emma Liaño Martínez (S. 3–44) zur königlichen Grablege im Kloster Poblet, wo die aragonesischen Könige im Interesse ihrer Dynastie künstlerische Neuerungen einsetzten. Dann untersuchen Sonia Morales Cano (S. 45–84) die Kathedrale von Toledo, einen Brennpunkt der Selbstdarstellung des kastilischen Königtums, und Pedro Redol / Orlindo Jorge (S. 85–114) die königlichen Grabkapellen im Kloster Batalha. Weitere Fallstudien gelten der Nekropole von St-Denis in der Zeit von Ludwig VII. bis zu Ludwig IX., ihrer Rolle in der dynastischen Politik und ihrem Verhältnis zu den kapetingischen Grablegen in Royaumont und Maubuisson (Christian de Mérindol, S. 115–135; Lindy Grant, S. 137–158). Die Sektion endet mit Lydwine Scordia (S. 159–182) zum Grabmal Ludwigs XI. in der Stiftskirche Notre-Dame de Cléry. Die zweite Sektion, Burial Strategies, widmet sich einigen weniger bekannten Beispielen, beginnend mit Isabel Sánchez Ramos / Jorge Morín Pablos / José Ramón González de la Cal (S. 185–225) zu den Ausgrabungen der westgotischen Siedlung Los Hitos nahe Toledo. Dann behandelt Mário Farelo (S. 227–294) die Rolle Lissabons als eines heiligen Ortes für die Grablegen der portugiesischen Könige. Zwei Beiträge befassen sich mit Rom: Federica Cosenza (S. 295–312) zeigt, wie sich der Kaufmannsstand im 14. Jh. adlige Begräbnisbräuche aneignete; Lorenzo Curatella (S. 313–326) untersucht repräsentative Grabstätten von Klerikern im 12. Jh. In weiteren Aufsätzen geht es um die Frage, wie soziale Mobilität in neapolitanischen Grabmälern zum Ausdruck kommt (Rosa Smurra, S. 327–350), die Spuren Gian Galeazzo Viscontis im Dom zu Mailand (Martina Saltamacchia, S. 351–370) und eine Rekonstruktion der nicht erhaltenen „tombscape“ bei Greyfriars in London (Christian Steer, S. 371–401). Die letzte Sektion, Memory, Representations and Texts, kehrt zu eher traditionellen Ansätzen zurück, wenn etwa Maria Helena da Cruz Coelho (S. 405–420) das Thema des „guten“ oder „schlechten“ Todes von Königen in portugiesischen Chroniken untersucht. Andere Studien beleuchten einen Ausschnitt des Teppichs von Bayeux (Xavier Barral i Altet, S. 421–442), heraldische Symbolik auf Grabmonumenten (Laurent Hablot, S. 443–482) oder das Totengedenken im Zisterzienserkloster Alcobaça (Catarina Fernandes Barreira, S. 483–515). Am Ende diskutiert Antonio Pio Di Cosmo (S. 517–561) Rituale beim Tod spätantiker römischer Kaiser, und Thiago José Borges (S. 563–588) die loca sancta im Heiligen Land, die ja vielfach Gräber biblischer Personen waren. Der Sammelband mit seiner frischen Perspektive auf Architektur und Gedächtnisstätten weitet den Horizont und ist eine willkommene Ergänzung zur Geschichte des Todes. Wie bei jeder breiter angelegten Aufsatzsammlung sind die einzelnen Beiträge von unterschiedlichem Niveau, aber vor allem die Konzentration auf die Iberische Halbinsel bereichert die europäische Forschungslandschaft zum Thema Tod.

Joëlle Rollo-Koster (Übers. V. L.)