Poison. Knowledge, Uses, Practices, ed. by Caterina Mordeglia / Agostino Paravicini Bagliani (Micrologus Library 112) Firenze 2022, SISMEL – Edizioni del Galluzzo, VIII u. 412 S., ISBN 978-88-9290-122-3, EUR 62. – Der interdisziplinäre Sammelband geht zurück auf eine Tagung, die vom 10. bis zum 12. Dezember 2019 in Trient stattfand. Inklusive Einleitung und Zusammenfassung durch die Hg. sind nun 22 Beiträge, die thematisch von der Antike bis zur Neuzeit reichen, das Ergebnis dieses Zusammentreffens von Forschern aus den Bereichen Philologie und Philosophie, Geschichts-, Wirtschafts-, Literaturwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte. Die Reihe der zehn Aufsätze zum MA eröffnet Agostino Paravicini Bagliani, Paura del veleno e cerimonialità pontificia. Una storia (quasi) millenaria (S. 107–123), der der 1274 erstmals bezeugten praegustatio von Hostie und Wein am päpstlichen Hof nachspürt. Einträge in den Inventaren Bonifaz’ VIII. gäben Aufschluss über die Einführung einer analogen proba von Speis und Trank, was darauf hindeutet, dass die Angst davor, vergiftet zu werden, keinesfalls bei der Eucharistiefeier Halt machte, sondern sich bis auf die privaten Essgewohnheiten des Papstes erstreckte. – Marina Montesano, La strega avvelenatrice (S. 125–142), macht plausibel, dass das antike Stereotyp der magisch begabten Frau, die es vermag, Gifttränke anzurühren, in literarischen Texten des 12. Jh. eine Renaissance erlebte, bevor es an der Schwelle zur frühen Neuzeit eine Umformung zum Topos der Hexe erfuhr. – Michel Pastoureau, Le bestiaire médiéval des animaux venimeux (S. 143–157), nimmt sich die Beschreibung giftiger Tiere und ihrer biophysikalischen Charakteristika in Bestiarien des 9.–13. Jh. vor, darunter Vierbeiner, Vögel, Fische und Amphibien, vor allem aber Schlangen und Würmer, deren toxische Wirkung bisweilen mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde. – Francesco Santi, Il rumore del veleno (S. 159–175), untersucht die faszinierende Bedeutungsvielfalt von Zisch- (sibilus) und Klirrlauten (crepitus), von Gemurmel (murmur) und Geflüster (susurrus). So galten manchem Autor solche Geräusche als Indikator für die Anwesenheit Luft verpestender Dämonen. – Gabriele Ferrario, Pauca numero et utilibus plurima: Maimonides’ Treatise on Poisons and Its Graeco-Arabic Sources (S. 177–199), fragt nach dem Umgang mit griechisch-arabischen Quellen im Kitāb al-Sumūm (Buch über Gifte), dessen konzise Zusammenstellung praktischen Wissens und handbuchartige Anlage verantwortlich für seinen Erfolg gewesen sein dürfte. – Franck Collard, Poisons de fiction et savoirs vénénologiques: quelles circulations entre la production savante et la production littéraire? (France, XIIe–XVe siècle) (S. 201–221), stellt ernüchternd fest, dass der wissenschaftliche Kenntnisstand über Gifte keinerlei Niederschlag in literarischen Werken gefunden hat. – Danielle Jacquart, Les multiples facettes des relations entre empoisonnement et peste dans les explications médicales de la fin du Moyen Âge (S. 223–247), analysiert ein kleines Corpus von Pesttraktaten des Spät-MA bezüglich giftbezogener Termini (venenum, venenosum, venenositas) und zeigt, dass nicht alle Autoren einen Zusammenhang zwischen Krankheit und möglicher Vergiftung sahen. – Bruno Laurioux, La cuisine et le poison à la fin du Moyen Âge (S. 249–272), nimmt sich kulinarische Werke von Maimonides, Johannes Aegidius von Zamora, Petrus von Abano, Arnald von Villanova, Christopherus de Honestis und Sante Arduini von Pesaro vor, in denen die Herstellung giftiger Gerichte ebenso wie möglicher Gegengifte thematisiert wird. – Walter Stephens, Veneficium/Maleficium/Sacramentum: Natural and Occult Forces in Witchesʼ Poisons (S. 273–290), widmet sich dem Zusammenhang von veneficium, maleficium und sacramentum, wie er im 15./16. Jh. in Johann Niders Formicarius und Praeceptorium divinae legis, Heinrich Kramers Malleus maleficarum, den Errores Gazariorum, der Recollectio casus, status, et condicionis Valdensium idolatrarum und Johannes Tinctors Sermo contra sectam Valdensium postuliert wird. Diese Autoren sprachen den materiellen Bestandteilen der Sakramente pharmazeutische Wirkkraft zu, die je nach Art und Weise ihrer Anwendung einen heilsamen oder auch einen gesundheitsgefährdenden Effekt haben konnten. – Drei Indices, die Personen, Werke und Orte (S. 395–409) sowie Hss. (S. 411f.) erschließen, ermöglichen einen raschen Zugriff auf die Inhalte dieses äußerst facettenreichen Bandes.
A. N.