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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Corinna von Brockdorff, Stadtverweis. Ausschluss und Ausgrenzung als Sanktion im spätmittelalterlichen Reich (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 105) Köln 2024, Böhlau, 408 S., ISBN 978-3-412-52950-5, EUR 55. – Die Vf. untersucht in ihrer Diss. unterschiedliche Formen des Ausschlusses in spätma. Städten sowie deren Zweck und Erfolg. Die Arbeit ist in sieben Hauptteile untergliedert, entsprechend den von ihr herangezogenen Städten (Frankfurt a.M., Mühlhausen/Thüringen, Fritzlar, Hildesheim, Göttingen, Braunschweig und Goslar), und schließt mit einer Zusammenfassung. In der Einleitung vermischt v. B. die Darstellung des Forschungsstands, die überraschenderweise auch die frühe Neuzeit umfasst, mit Begriffsdefinitionen, was bisweilen zu Irritationen beim Leser führt. Die Vf. charakterisiert den Stadtverweis als vielfältig und schwer zu greifen. Er konnte Strafe, Ersatzstrafe oder soziales Sanktionsmittel sein (S. 18). Neben der Verbannung untersucht v. B. weitere Sanktionsmöglichkeiten sowohl der weltlichen als auch der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Jedes Hauptkapitel ist einer der sieben Städte gewidmet, jedoch werden innerhalb des jeweiligen Kapitels selektiv auch die anderen Städte vergleichend herangezogen. Dabei verkörpert jede Stadt ein Spezifikum. So steht in Frankfurt und Mühlhausen der Stadtverweis im Vordergrund, wobei der Fokus auf dem Strafzweck, der innerstädtischen Friedenswahrung, liegt. In den klerikalen Städten Fritzlar und Hildesheim dominiert die Interdependenz zwischen Stadtverweis und Kirchenbann bzw. Verfestung. Letztere stehen auch in Braunschweig und Goslar im Vordergrund, während in Göttingen vor allem der Zusammenhang zwischen Urfehde und Stadtverweis dominiert. Die Vf. behandelt in jedem Kapitel nicht nur unterschiedliche Strafen in den einzelnen Städten, sondern ergänzt ihre Quellenauswertung auch stets um eine Analyse verschiedener Delinquentengruppen und knappe Schilderungen des jeweiligen historischen Kontexts. Immer wieder wechselt sie dabei die Analyseebene und formuliert auf Basis eines soziologischen Zugriffs Begriffsdefinitionen, um ihre Erkenntnisse in einen größeren Zusammenhang einzubetten. Dies führt regelmäßig zu einer Vermischung von Quelleninterpretation, Kontextualisierung und Bewertung, die den Gedankenfluss unterbricht. Die umfangreiche Auswertung eines bemerkenswerten Konvoluts ungedruckter und gedruckter Quellen ist eine Stärke der Arbeit, stellt aber den Leser zugleich vor Herausforderungen. Es fehlt eine stringente Gliederung des Stoffs, was sich an folgendem Beispiel manifestieren lässt: Die Vf. analysiert ausweislich ihrer Überschrift die Störung des städtischen Friedens, die den Stadtverweis nach sich zog. Dabei beginnt sie mit einem Quellenzitat aus Frankfurt (S. 56), diesem folgen soziologische Ausführungen zu Gewaltdelikten (S. 57–59), bevor sie die Rolle des Rats in dieser Konfliktsituation analysiert (S. 59f.). Im Anschluss erfolgt unter Hinzuziehung weiterer Städte eine detaillierte Analyse anhand der drei von ihr genannten, in diesen Themenbereich fallenden Delikte Glücksspiel, unerlaubtes Tragen von Waffen, Mord und Totschlag (S. 60–91) sowohl in Frankfurt als auch in anderen Städten, obgleich die Kapitelüberschrift zunächst nur auf Frankfurt hinzudeuten scheint. Das stärkste Kapitel ist die Zusammenfassung, die die Untersuchungsergebnisse wesentlich konziser darstellt. Insgesamt bietet die Untersuchung eine große Bandbreite unterschiedlicher Quellen, deren Auswertung vielleicht übersichtlicher hätte gegliedert werden können.

Sonja Breustedt