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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Leonard Horsch, Politisches Handlungswissen im Venedig des Quattrocento. Die Briefsammlung des Ludovico Foscarini (Wissenskulturen und ihre Praktiken 17) Berlin / Boston 2023, De Gruyter, X u. 1264 S. in 2 Bden., Abb., ISBN 978-3-11-116864-7, EUR 149,95. – Um sein Wissen den Nachgeborenen zu überliefern, hat der venezianische Diplomat Ludovico Foscarini ein Epistolar angelegt, das ausgewählte Briefe aus seiner umfangreichen Korrespondenz versammelte. H. hat in seiner in München bei Claudia Märtl entstandenen Diss. dieses Material nicht nur ausgewertet, sondern die 312 Briefe zusammen mit zusätzlichem Material auch ediert. Bislang waren nur einige dieser Schreiben verstreut publiziert worden. Während der zweite Band die Edition enthält, bietet der erste eine umfassende Einführung, die über den Autor, seine Korrespondenzpartner, die Briefe und die von Foscarini gewählten Strukturprinzipien informiert. Er unterschied bei der Anordnung zwischen im engeren Sinne diplomatischen und administrativen Angelegenheiten, daneben strukturierte er sein Material chronologisch und geographisch. Zudem diskutiert H. in einem uneinheitlichen Kapitel unter dem Stichwort Strategien sowohl Kommunikationstechniken und Darstellungsweisen wie die behandelten Themen. Editionsgrundlage ist die sorgfältige, gut zu lesende Hs. Wien, ÖNB, cod. 441. Dieser Codex stammt möglicherweise von Vittore Foscarini di Ludovico, dem Sohn des Autors. Die Schreibweisen wurden möglichst wenig normalisiert, so dass die venezianischen Ausdrücke erkennbar bleiben. Die der Edition beigegebenen Verzeichnisse erleichtern es, sich zurechtzufinden. Sorgfältig nachgewiesen sind die Überlieferung, frühere Drucke sowie die zahlreichen Verweise etwa auf antike Literatur, die Foscarini in seine Briefe einstreute. Die Fußnoten weisen Emendationen aus und geben Hinweise zu genannten Personen. Hilfreich wäre gewesen, jeden Brief mit einer kurzen Zusammenfassung zu versehen, was den Gebrauch weiter erleichtert hätte. Wegen der Vielfalt der behandelten Themen und der Korrespondenzpartner Foscarinis, darunter venezianische Amtsträger, Diplomaten und Politiker wie Ermolao Barbaro und Paolo Barbo, Gelehrte wie Flavio Biondo und Isotta Nogarola, Kleriker, Mediziner und Bürger der von Venedig abhängigen Städte auf dem Festland, bietet dieses Material zahlreiche Aufschlüsse für die Geschichte Venedigs, die Politik- und Diplomatiegeschichte sowie für diejenige des Humanismus. H.s Überlegungen zu Darstellungsweise und Themen bieten hier erste Ansatzpunkte, wenn auch diese Passagen mitunter vornehmlich referierend ausfallen. So wird etwa zu zwei antijüdischen Briefen Foscarinis vor allem die bisherige Forschung wiedergegeben, dazu werden personale Verflechtungen herausgearbeitet, die inhaltliche Analyse bleibt aber in den Grundzügen stecken, eine Anknüpfung an die aktuelle Forschung zur spätma. Judenfeindschaft unterbleibt. Ähnlich bei der Foscarini umtreibenden ‘Türkengefahr’, bezüglich derer sich H.s Ausführungen als verlässliche Hinführung zu den Briefen erweisen, sich jedoch allzu sehr auf den Nachvollzug beschränken. Aufschlussreicher sind die Überlegungen zu dem von Foscarini in seinen Briefen gespendeten Lob, dem demonstrierten Mitleid und dem Erteilen von Rat, weil H. hier, ohne überraschende Einsichten zu bieten, zur genauen Lektüre der Briefe anleitet. Insgesamt ist dem Vf. eine bemerkenswerte Leistung gelungen, der eine intensive Rezeption zu wünschen ist.

Jan-Hendryk de Boer