Isabelle Schürch, Bischöfliche Botschaften. Missiven als Medien der spätmittelalterlichen Herrschaft (Biel 14.–16. Jahrhundert) (Spätmittelalterstudien 9) München 2022, UVK, 305 S., Abb., ISBN 978-3-7398-3198-5, EUR 44. – Dieses Buch ist eine überarbeitete Diss. aus dem Jahr 2015, die im Rahmen des Schweizer Projekts Mediality an der Univ. Zürich entstand. Sch. setzt sich zum Ziel, Missiven als Medien der Herrschaft zwischen dem Basler Bischof und der Stadt Biel (70 km südwestlich von Basel) zwischen 1380 und 1525 zu untersuchen. Dabei geht sie nicht von einer vorgefassten Vorstellung der Herrschaft aus, sondern vom Medium Brief, das in seiner Materialität, Funktionalität und Bedeutung und in seinem kommunikativen Kontext – in seiner Medialität – betrachtet wird. Ferner untersucht sie die Briefe nicht als einzelne Schreiben, sondern in der Serie: Es geht darum, nicht was, sondern wie kommuniziert wird (S. 12). Nach einer sehr klaren Einleitung, die Fragestellung, Methodik und Kontext – Basler Bischöfe und die Stadt Biel – vorstellt, ist das Buch in drei Kapitel gegliedert. Im ersten wird dargestellt, was Missiven überhaupt sind, d. h. ihre Charakteristika und das Zusammenspiel zwischen Form und Inhalt – ihre Medialität. Die Vielfalt der im 15. Jh. aufkommenden Missivenbücher wird hervorragend analysiert. Der zweite Hauptteil, Der Meier und der Rat: Die Adressierungslogik der Missiven und die Bieler Administrationskultur, befasst sich vor allem mit der politischen und administrativen Struktur der Stadt Biel. Erst im letzten Abschnitt (2.3) analysiert Sch. die Kommunikation zwischen Bischof und Meier bzw. Stadt, nicht hinsichtlich ihrer Medialität, sondern auf klassische Art, in ihrem Inhalt (Anspruch der Stadt auf Autonomie bzw. des Bischofs auf Herrschaft). Diese Darstellung ist aber notwendig und überaus nützlich, weil die Bieler Historiographie zu diesen Aspekten bisher mangelhaft war. Der kurze, aber großartige letzte Teil bietet eine intelligente Reflexion über das Medienensemble Botschaften (mit Boten und Schriftstücken), Empfehlungsschreiben und Tagsatzungen. Die wie das gesamte Buch sehr klar gegliederte Zusammenfassung befasst sich mit den Begriffspaaren Anwesenheit/Abwesenheit in der Briefkorrespondenz, Glaubwürdigkeit (und eigentlich: Vertrauen)/Treue und Erwartung/Flexibilität. Zu ersterem könnte hinzugefügt werden, dass die Briefkorrespondenz nicht nur eine Kommunikation trotz Abwesenheit, sondern auch eine Kommunikation anderer Art als zwischen Anwesenden ermöglicht. Insgesamt ist Sch.s Ansatz, Missiven nicht nur in ihrem Inhalt, sondern in ihrem kommunikativen Kontext zu untersuchen, sehr überzeugend und das Buch ein Gewinn für alle, die sich mit Korrespondenz im Spät-MA beschäftigen, wenngleich hier und da das Korsett des Gesamtprojekts Mediality zu eng erscheint.
Olivier Richard