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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Julie Colaye-Rabiant, Les prieurés de Saint-Victor de Paris (XIIe – première moitié du XVIe siècle). Implantation et fonctionnement d’un réseau canonial entre Senlis et Orléans (Bibliotheca Victorina 30) Turnhout 2023, Brepols, 1068 S., 73 Tafeln, 58 Karten, ISBN 978-2-503-60776-4, EUR 190. – Die bei Philippe Racinet und Pascal Montaubin an der Univ. Jules Verne in Amiens angefertigte Diss. zeigt beispielhaft, wie wichtig nicht nur die Beschäftigung mit dem Haupt einer Regularkanonikerkongregation ist, wie hier der bedeutenden Kongregation Saint-Victor in Paris, sondern auch mit dem Kreis der davon abhängigen Priorate. Dabei ist nicht der Kreis der Observanz von Saint-Victor mit Prioraten und Kathedralkapiteln von Irland bis Süditalien Gegenstand der Untersuchung, sondern der eigentliche Verband der 16 wirtschaftlich und rechtlich voll abhängigen Priorate, die zwischen Senlis und Orléans in der Ile-de-France liegen. Auf der Grundlage einer minutiösen Aufarbeitung der Archivbestände sowohl der Priorate wie auch der Abtei selbst (S. 37–94) werden in einem zweiten Teil die 1258 abgeschlossene Übertragung der 16 Priorate an die Abtei und die Struktur des von ihnen gebildeten Kreises bis Mitte des 14. Jh. untersucht. Dabei geht die Vf. ausführlich auf die Beziehungen zwischen der Mutterabtei und den Prioraten ein, die vor allem als Einkunftsquelle benutzt wurden. Alle Überschüsse mussten abgeliefert werden, und jedes Jahr mussten die Prioren, die vom Abt persönlich eingesetzt wurden und jederzeit abgesetzt werden konnten, auf dem Generalkapitel Rechenschaft ablegen. Die Einkünfte wurden von Getreide-, Wein- und Gemüseanbau erzielt, dem Einzug von Abgaben und Zehnten, der Vergabe von Pachtverträgen und Lehen wie auch aus Pfarrrechten, die zwölf der 16 Priorate besaßen. In einem dritten Teil, der von der Mitte des 14. bis zur ersten Hälfte des 16. Jh. reicht, geht die Vf. auf wirtschaftliche Schwierigkeiten ein, die mit Kriegswirren, Epidemien und daraus resultierender Entvölkerung verbunden waren und sogar zur Zerstörung einzelner Priorate führten. Erst 1460 kam es wieder zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Priorate, der auch mit einer größeren Verselbständigung von der Mutterabtei einherging. Einschnitte in den gegenseitigen Beziehungen stellen die Statutenreform von 1349 dar, mit der Übertragung der Verantwortung für die Priorate vom Abt auf die Kammer der Ältesten, der Übergang der Verwaltung aller Einkünfte der Priorate auf den Kämmerer 1513 und die Vereinigung der Einkünfte des größten Priorats Puiseaux mit der mensa abbatialis 1545. Den Abschluss bildet ein Repertorium der 16 Priorate mit ihrer Geschichte, einer Liste ihrer Prioren bis ca. 1545, einer Aufstellung ihrer Besitzungen und Rechte (Ende des 15. Jh.), gefolgt von einer vollständigen Auflistung der Archivalien, gedruckten Quellen und der Sekundärliteratur. Ein Register der Hss., Personen und Orte rundet diese ausgezeichnete Studie ab, die die Grundlage aller weiteren Recherchen über Saint-Victor bilden wird.

Ursula Vones-Liebenstein