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Manuel Alejandro Rodríguez de la Peña, The Cultural Power of Medieval Monarchy. Politics, Learning and Patronage in the Royal Courts of Europe 1000–1300 (Studies in Medieval History and Culture) London / New York 2024, Routledge, IX u. 391 S., ISBN 978-0-367-69599-6. – Der Vf. geht von der Annahme aus, dass die „Weisheit“ (sapientia) im MA eine der wichtigsten Eigenschaften eines Herrschers dargestellt habe, die bisher in der Fachliteratur ständig unterschätzt werde. Die Weisheit erhöhte einen König einerseits über die ungebildete weltliche Elite, andererseits relativierte sie den Anspruch der kirchlichen Elite auf intellektuelle Monopolstellung. Die königliche Weisheit förderte somit die Bereitschaft der Eliten zum Gehorsam. Schwache Herrscher – wie die späteren Karolinger oder die angelsächsischen Könige nach Alfred dem Großen – verloren das „sapiential rulership“, das auf Bischöfe und Äbte – wie etwa Hinkmar von Reims – überging (S. 24, 37, 75f.). Als die französischen Fürsten seit dem 11. Jh. begannen, Anspruch auf Förderung der Wissenschaften und Künste zu erheben, steigerte dies ihren eigenen Status im Vergleich zu dem der Könige (S. 132, 139, 212f.). Königliche Weisheit setzte sich in jedem Einzelfall aus verschiedenen Komponenten zusammen. Leichter fiel es den Propagandisten natürlich, wirklich gebildete Herrscher wie die Kaiser Heinrich III. und Heinrich IV. zu loben (S. 98–105), doch eine Ausbildung in der lateinischen Kultur war für den Besitz von Weisheit keineswegs entscheidend. Wichtiger war, ob der König Intellektuelle an seinen Hof zog, Schulen förderte, Bücher in Auftrag gab und gebildeten Personen – wie den Mitgliedern der Hofkapelle oder später den Kanzlisten – die Hebel der Regierung anvertraute. So war es den Propagandisten möglich, das Bild eines weisen Herrschers selbst für einen wenig gebildeten König wie Karl den Großen auszumalen. In der Konzeption der kaiserlichen Macht Konstantins und seiner byzantinischen Nachfolger war die Weisheit des Herrschers sakral, da sie auf der Teilnahme des Kaisers an der Gnade Christi beruhte. Die germanischen Könige beanspruchten hingegen nur weltliche Weisheit und trugen daher mehr zur Bewahrung des klassischen Wissens und der spätantiken Bildung bei als die Klöster (S. 15–17). Seit der Karolingerzeit galten biblische Könige als Vorbilder weiser Herrscher – bei Karl dem Großen war es David, bei Karl dem Kahlen (oder schon etwas früher) Salomo. Ursprünglich sollte dieser Vergleich darauf hindeuten, dass der Herrscher priesterliche Weisheit besaß und an der Liturgie teilnahm (S. 21), doch nach der gregorianischen Reform und der Renaissance des 12. Jh. wurde die „salomonische Weisheit“ immer mehr mit geheimem Wissen assoziiert (S. 212). Als Alkuin die Weisheit als wichtigste Tugend des Herrschers verkündete, stützte er sich allerdings nicht nur auf biblische Vorbilder, sondern auch auf Cicero und Plato (S. 24, 28f.). Dennoch blieb die karolingische Tradition, in der die königliche sapientia als göttliche Gabe und Quelle sakraler Legitimation galt, bis zu den Ottonen und Saliern, in Osteuropa bis zu König Stephan bestehen (S. 122f.). Bei den Kapetingern trat ein ähnliches Motiv dagegen erst später auf, und zwar zunächst unter Robert II. (S. 94, 141–143). Im Zug des Investiturstreits verlor die königliche „Weisheit“ ihren sakralen Charakter, weswegen sich der König zuerst bloß zu einem miles litteratus verwandeln musste (S. 137). Doch im 12. Jh. verbreitete sich mit dem scholastischen Humanismus das neue Bild der imago sapientiae, nicht zuletzt dank der Popularität des Policraticus — des „einflussreichsten ma. Fürstenspiegels“ (S. 157). Alexander und Cäsar wurden zu überall anerkannten Vorbildern weiser Herrscher, und die Anforderungen an die Weisheit eines Herrschers wurden auf der Grundlage der Werke des (Pseudo-)Aristoteles formuliert. Gleichzeitig wurde durch die Rezeption des römischen Rechts die iustitia zum wichtigsten Bestandteil der „Weisheit“ des Herrschers. Parallel dazu änderte sich auch die praktische Ausübung der Macht, da die Rolle gebildeter Juristen an den Höfen zunahm: in England schon unter Heinrich I. Beauclerc, in Frankreich erst unter Philipp II. August. Die Verbreitung der Bildung unter Laien im 12. Jh. und das Wachstum der königlichen Bürokratie erhöhten die Anforderungen an die Gelehrsamkeit des Herrschers (S. 180f.). In dieser Zeit entstand ein neuer Typ König, der sich speziell für Verwaltung und Finanzen interessierte. Er entwickelte sich zuerst in England (Heinrich I. und besonders Heinrich II.) sowie in Sizilien (Roger II.) und erst mit erheblicher Verzögerung in Frankreich (Philipp II. August). Der berühmte Vergleich eines ungebildeten Königs mit einem Esel entstand, wie der Vf. meint, aus der intellektuellen Überlegenheit der Plantagenets gegenüber den Kapetingern (S. 203, 212). Obwohl seit Philipp August das Mäzenatentum gegenüber der Pariser Universität ein wichtiger Bestandteil des Images der französischen Könige wurde (S. 245f.), war die „Weisheit“ Ludwigs IX. eher ethischer Natur, wobei die Kapetinger allgemein gegenüber den Plantagenets und Staufern mehr ihre Sakralität als ihren Intellektualismus betonten (S. 253). In den Assisen Rogers II. wurde das alte „salomonische“ Prinzip der sakralen Weisheit des Herrschers um die neue Idee des sakralen Werts des Rechts ergänzt, was einen Wendepunkt in der Geschichte der „cultural power“ der europäischen Machtträger darstellte (S. 218). Friedrich I. Barbarossa versuchte im Rahmen seines Programms der renovatio imperii eine Resakralisierung des Reichs durchzusetzen. Wichtige Meilensteine waren dabei die Heiligsprechung Karls des Großen und die Einführung des Kults der Heiligen Drei Könige (S. 269f.). Diese Sakralität war jedoch von einem neuen Typus – nicht theologischer Natur, sondern im Sinn des römischen Rechts (S. 272), was auf den Einfluss der Bologneser Juristen auf die Selbstrepräsentation Barbarossas zurückgeführt werden muss. Während Friedrich I. ungebildet blieb, verkörperte Heinrich VI. bereits den imperator eruditus (S. 291f.). Dennoch blieb seine Kanzlei, obwohl sie etwa dem Niveau der Kanzlei Heinrichs II. Plantagenet entsprach, hinter der sizilianischen sowohl in Bezug auf die Produktivität als auch auf die Anwendung des römischen Rechts zurück (S. 295f.). Das letzte Kapitel ist allein zwei Herrschern gewidmet: Friedrich II. und Alfons X. Beide stellen Ausnahmen dar, da für sie das Streben nach Weisheit nicht nur eine königliche Tugend, sondern eine Lebensweise war. Sie kamen der Verwirklichung der platonischen Vorstellung vom Philosophen auf dem Thron am nächsten (S. 305). Der Beiname el Sabio bezog sich nicht auf die gute Bildung des Königs, sondern auf seine Weisheit (S. 327). Und diese „Weisheit“ war nicht zufällig ein Bestandteil seines Regierungsstils, sondern vielmehr ein völlig organischer Teil davon (S. 328). Alfons setzte somit die lange und reiche europäische Tradition der Verbindung zwischen Macht und Weisheit fort. Als Fazit wird behauptet, dass die gelehrten Könige des 14. Jh. einen neuen Typus des „prudent king“ verkörpert hätten, ohne jedoch zu erklären, worin dieser bestand (S. 339). Das Fehlen einer Zusammenfassung der Beobachtungen ist ein offensichtlicher Mangel. In jedem Kapitel bietet der Vf. eine Übersicht über das intellektuelle Leben am jeweiligen Hof und in dessen Umfeld. Das Ergebnis ist eine Art Geschichte der westeuropäischen Königreiche – allein durch das Prisma ihrer kulturellen Anstrengungen gesehen. Zu jedem angesprochenen Thema bemüht sich der Vf., neben den einschlägigen Quellen so viel Sekundärliteratur wie möglich zu nutzen, die er großzügig zitiert — oft ganze Absätze abschreibend. Bei einer solchen Fülle an behandelten Themen ist es schwer, Fehler oder die Wiedergabe veralteter Ansichten zu vermeiden. So vermutet der Vf., dass die silbernen Tische Karls des Großen mit Darstellungen von Rom und Konstantinopel nach einem Entwurf Einhards angefertigt werden konnten (S. 30), oder interpretiert den „Cappenberger Kopf“ ausdrücklich als Darstellung Friedrich Barbarossas (S. 284).

Michail A. Bojcov