Attilio Stella, The Libri Feudorum (the ‘Books of Fiefs’). An Annotated English Translation of the Vulgata Recension with Latin Text (Medieval Law and Its Practice 38) Leiden / Boston 2023, Brill, X u. 299 S., ISBN 978-90-04-50454-7, EUR 115,56. – Es war Susan Reynolds, die im Jahr 1994 mit ihrem Buch Fiefs and Vassals (vgl. DA 51, 307) eine internationale Debatte ausgelöst und zugleich lebhafte Forschungen zum Lehnrecht angeregt hat. Hier soll nur an die hochkarätigen Tagungen von Karl-Heinz Spieß sowie Jürgen Dendorfer und Roman Deutinger erinnert werden. Die lateinisch-englische Edition der Libri Feudorum stellt nun die zentralen Texte des Lehnrechts in den Mittelpunkt. S. fasst zunächst knapp die wissenschaftlichen Kontroversen in der Geschichtswissenschaft – ausgehend von Bloch, Mitteis und Ganshof bis zu Reynolds – zusammen (S. 1–5), ehe er präzise die Entstehung der Libri Feudorum vor dem Hintergrund der langobardischen Rechtstradition und der Rechtsschule von Bologna nachzeichnet (S. 6–29). In der Formel „from local custom to the ius commune feudorum“ (S. 52) ist der Vorgang der Rechtsentstehung auf den Punkt gebracht. Was um 1100 mit der Verschriftlichung lehnrechtlicher Gewohnheiten begann, gipfelte um das Jahr 1250 in der Aufnahme der Libri Feudorum in das Corpus Iuris Civilis als Anhang zu den Novellen. Ein kenntnisreicher Überblick zum Fortwirken der Libri Feudorum in der europäischen Geschichte greift sodann bis zu den gelehrten Kontroversen der frühen Neuzeit aus (S. 30–52). Im Zentrum des Bandes stehen allerdings der Abdruck des lateinischen Texts und dessen kommentierte englische Übersetzung. Das erste Buch befasst sich mit der Vergabe von Lehen, der Nachfolge in das Lehen, dem Verlust des Lehens bei einem Fehlverhalten sowie mit Konflikten über die Investitur (S. 55–89). Das zweite Buch behandelt den Vorgang der Investitur, Fragen der Lehensfähigkeit, das Gerichtsverfahren bei Streitigkeiten zwischen Lehnsherr und Lehnsmann, die Gründe für den Verlust eines Lehens sowie das Problem der Veräußerung oder Verpfändung von Lehen durch Lehnsleute (S. 91–197). Im Anschluss folgen die lateinischen und englischen Versionen der Capitula Extraordinaria von Jacobus de Ardizone und von Baraterius sowie des Lehnsgesetzes König Konrads II. Eine Synopse, ein Glossar, eine Bibliographie sowie Personen-, Sach- und Quellenregister schließen den Band ab. Für diejenigen, denen es an Lateinkenntnissen fehlt, dürfte die moderne englische Übersetzung dank der Anmerkungen und dem Glossar den Zugang zu diesem Schlüsseltext ma. und frühneuzeitlicher Geschichte nicht unwesentlich erleichtern. Dafür ist dem Vf. zu danken.
Steffen Schlinker