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Simone Lombardo, La crociata dopo la peste. Metamorfosi di un’idea (secolo XIV) (Ordines 15) Milano 2023, Vita e Pensiero, 320 S., ISBN 978-88-343-5380-6, EUR 30. – Dass angesichts der Ereignisse der letzten Jahre Untersuchungen zu Krisen, insbesondere zur Pest, entstanden sind, dürfte vielleicht keine allzu große Überraschung sein. Der Vf. fragt danach, inwiefern sich die Kreuzzugsidee, aber auch die Attraktivität der Kreuzzüge im Zuge der Pest geändert haben. Hierfür zieht er ein sehr heterogenes Quellencorpus heran, darunter Chroniken, Annalenwerke, Briefe, Dichtungen und noch so manches andere. Das 14. Jh. wird nicht nur aufgrund der Pest, sondern auch wegen Hungersnöten und Kriegen als Zeit der Krise vorgestellt. In dieser Situation hätten sich die europäischen Gesellschaften verstärkt religiösen Inhalten und Formen zugewandt, wie L. im Anschluss an Johan Huizinga befindet. Was aber die Kreuzzugsidee angeht, lässt sich zumindest für die italienischen Chroniken des 14. Jh. eine gewisse Schweigsamkeit beobachten, und das trotz der Bemühungen Peters I. von Zypern. Doch gab es für die Menschen der Zeit eben andere Möglichkeiten, Buße zu tun, wie etwa die Flagellanten zeigen. Schon vor der Pest verschwanden die Traktate, die detaillierte Hinweise zur Vorbereitung militärischer Expeditionen lieferten, die der Wiedereroberung des Heiligen Landes dienen sollten. In der zweiten Hälfte des 14. Jh. wandelte sich die Kreuzzugsidee dahingehend, dass das zuvor zur Buße unternommene Kreuzzugsunternehmen, welches das Heilige Land befreien sollte, zu einem defensiven, gegen die Türken gerichteten Krieg wurde. Die Terminologie ist freilich eine andere; so weisen die Briefe und Urkunden etwa Urbans V. sehr wohl noch Formulierungen auf, die an die ursprünglichen Kreuzzüge erinnern. L. verarbeitet hier kuriales Quellenmaterial, doch fragt man sich, ob nicht eine noch intensivere Auseinandersetzung mit demselben, nicht zuletzt in Form der Kreuzzugsbullen, möglich gewesen wäre. Dass der Vf. schließlich dazu übergeht, literarische Texte zu analysieren, mag im ersten Moment vielleicht überraschen, doch ist es nicht fruchtlos. So wird ersichtlich, dass Francesco Petrarca Jerusalem als rechtmäßiges Eigentum der Christen ansah, das es zurückzuerobern galt. Notgedrungen beschränkt sich der Vf. auf eine Auswahl des Materials; natürlich hätte man hier noch weitere Texte heranziehen können, wie etwa Jean de Mandeville. Bisweilen geht der eigentlich ideengeschichtliche Ansatz etwas verloren zwischen all den Ausführungen, die die Ereignisse referieren. Hierbei gerät auch die Fragestellung etwas aus dem Blick, denn ein Zusammenhang zwischen den Kreuzzügen und den Pestepidemien wird nicht wirklich hergestellt. Gleichwohl hat L.s Frage nach diesem Zusammenhang natürlich ihre Berechtigung (siehe auch unten S. 398f.).

Boris Gübele