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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Die römischen Repertorien. Neue Perspektiven für die Erforschung von Kirche und Kurie des Spätmittelalters (1378–1484), hg. von Claudia Märtl / Irmgard Fees / Andreas Rehberg / Jörg Voigt (Bibl. des Deutschen Historischen Instituts Rom 145) Berlin / Boston 2023, De Gruyter, XII u. 620 S., Abb., ISBN 978-3-11-064584-2, EUR 159,95. – Der Sammelband vereint Beiträge zu Forschungen, die aus dem Repertorium Germanicum (RG) und dem Repertorium Poenitentiariae Germanicum (RPG) geschöpft sind, also aus den Verzeichnissen deutscher Personen, Kirchen und Orte in den päpstlichen Registern und Kameralakten des Spät-MA (beide online http://www.romana-repertoria.net/993.html). Sie gehen zurück auf eine Tagung aus Anlass des Erscheinens des 10. Bandes des RG über den Pontifikat Sixtus’ IV. (1471–1484, 2018). Anliegen der Hg. war es besonders, die vielfältigen Erkenntnismöglichkeiten zu dokumentieren, die durch die Erschließung vor allem der römischen Supplikenregister eröffnet werden. Der Band gliedert sich in vier Sektionen. Sektion I, „Möglichkeiten und Herausforderungen“, besteht aus zwei Beiträgen: Arnold Esch (S. 21–43) stellt in seiner Einführung die Geschichte der beiden Repertorien dar und illustriert anhand einiger Gesuche an die Poenitentiarie die Vielfalt der darin berührten Themen. Erkennbar werden zuweilen tragische Schicksale gerade auch sogenannter „gewöhnlicher Menschen“ (S. 34), die in ma. Quellen sonst unterrepräsentiert sind. Ludwig Schmugge (S. 45–80) demonstriert, wie die in den römischen Registern verzeichneten Petenten und Kommissare mit Hilfe digitaler Recherchen in lokalen Überlieferungen identifiziert werden können, etwa in den Deutschen Inschriften online (im Hinblick auf ihre Grabsteine) oder in der Germania sacra. Sektion II, „Forschungsimpulse durch Datenvernetzung“, versteht sich als Laboratorium für Überlegungen zu Bedingungen und Chancen der Digital humanities im Umgang mit seriell und massenhaft überlieferten Quellen. Eine besondere Herausforderung ist die Vernetzung der prosopographischen Datenbanken untereinander, etwa mit dem Digitalen Personenregister zur Germania sacra (präsentiert von Hedwig Röckelein, S. 105–120) und mit dem Repertorium Academicum Germanicum (präsentiert von Kaspar Gubler / Christian Hesse, S. 121–134). Die dazu erforderliche technische Aufbereitung und Modellierung der Daten stellt Georg Vogeler (S. 83–103) dar, verschiedene Verfahren zur digitalen Auswertung diskutieren Jörg Hörnschemeyer / Jörg Voigt (S. 135–157) und Robert Gramsch-Stehfest (S. 159–181). Christoph Volkmar (S. 183–202) veranschaulicht, wie sich anhand des RG Nachrichten zu Magdeburger Klerikern rekonstruieren lassen, zu denen nach Kriegsverlusten lokale Überlieferungen fehlen. In Sektion III, „Politik, Karrieren und Netzwerke in transregionalen Zusammenhängen“, geht es unter anderem um die europäische Dimension des RG und um die diplomatischen Beziehungen der Kurie zum Reich, die darin sichtbar werden. Als „transregionale Personennetzwerke“ werden hier besonders die Klientel- und Patronageverhältnisse verstanden, die sich um die Inhaber wichtiger Kurienämter bildeten. Tobias Daniels (S. 205–242) erforscht anhand von Breven und Legateninstruktionen die Kommunikation Sixtus’ IV. mit den Führungsschichten des Reichs, besonders mit Kaiser Friedrich III., Enno Bünz (S. 243–265) jene der Dithmarscher Bauern mit der Kurie zur Abwehr von Ansprüchen des Hamburger Domkapitels. Remigiusz Stachowiak (S. 267–300) gewinnt aus dem RG Nachrichten über den Pfründenerwerb preußischer Kleriker aus dem Umfeld des Deutschen Ordens. Zwei Beiträge haben Italien zum Gegenstand: Daniela Rando (S. 301–321) behandelt deutsche Studenten an lombardischen Universitäten und lombardische Kleriker als Vermittler zwischen dem Hof Sigismunds und der Kurie, Claudia Märtl (S. 323–360) Deutsche in Siena und sienesische Kleriker, insofern sie aufgrund „deutscher“ Beziehungen ihrerseits vom RG erfasst werden; dabei wird deutlich, dass die vorhandene kuriale Überlieferung gerade zu „internationalen“ Karrieren dort nur sehr begrenzt abgebildet wird. Jessika Nowak (S. 361–393) schließlich identifiziert im RG Pfründengeschäfte von Familiaren kurialer Würdenträger, die eine Verbindung zu Frankreich oder Burgund hatten, Anliegen von Angehörigen des burgundischen Hofs und das Wirken französischer Kleriker in päpstlichen Kanzleiämtern. Sektion IV, „Neue kultur- und sozialgeschichtliche Zugänge zur Kirchen- und Kuriengeschichte“, dokumentiert die Bandbreite der Fragestellungen, zu denen die Repertorien herangezogen werden können. Jan Hrdina (S. 397–437) widmet sich der Nachfrage nach päpstlichen Ablässen in Böhmen und ‘armen’ böhmischen Klerikern als Petenten unter Gregor XII., er visualisiert die Belege auf einer Karte des Bistums Prag. Christiane Schuchard (S. 439–458) wählt gewissermaßen das Gegenstück der römischen Register als Ausgangspunkt, nämlich die Empfängerüberlieferung von Urkunden der Rota, und identifiziert die darin benannten Richter und Notare im RG. Christian Alexander Neumann (S. 459–494) forscht im RG nach Altersangaben und altersbedingten Beschwerden der Petenten, etwa als Gründe für Rücktritte und Dispensen. Bram van den Hoven van Genderen (S. 495–545) bringt ein zentrales (aber in der Forschung unterrepräsentiertes) Instrument des spätma. Pfründenmarkts zur Sprache, nämlich die Pensionen, die als Gegenleistung für die Resignation von Benefizien (oder von Ansprüchen auf Benefizien) gezahlt wurden. Andreas Rehberg (S. 547–595) schließlich stellt päpstliche Privilegien zur Verleihung und Besserung von Wappen vor, weiter interpretiert er das heraldische Dekor im römischen Haus des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckard. Während die elf geplanten Bände des RPG über den Zeitraum von 1431 bis 1523, bearbeitet von Ludwig Schmugge und seinen Mitarbeitern, seit 2018 komplett vorliegen, schreitet die Bearbeitung des RG weiter voran (geplant ist die Erschließung des Zeitraums bis 1517) – es ist zu hoffen, dass die hier vorgelegte Veröffentlichung dazu beiträgt, den großen Nutzen des Projekts sichtbar zu machen und so zu seiner langfristigen Finanzierung beizutragen.

Philipp Stenzig