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Narrare la crisi. Economia e vita religiosa nelle trasformazioni dell’Italia del Trecento, a cura di Lorenzo Tanzini (I libri di Viella 458) Roma 2023, Viella, 232 S., ISBN 979-12-5469-381-0, EUR 27. – Wenngleich es die „Krise des Spät-MA“ nicht gegeben hat, lassen sich im 14. Jh. zahlreiche Notlagen beobachten. Solchen Krisenszenarien für Wirtschaft und Geistlichkeit im italienischen Trecento ist der aus einem epochenübergreifenden Projekt an der Univ. Cagliari erwachsene Band gewidmet. Im Zentrum stehen die zeitgenössischen Wahrnehmungen der und Lösungsstrategien für die diversen Verwerfungen, wie der Hg. einleitend darlegt (S. 7–12). Marco Giacchetto (S. 13–43) erhellt, mit welchen pragmatischen Strategien die Kommune Siena in der zweiten Jahrhunderthälfte in Zeiten politischer Instabilität auf wirtschaftliche Engpässe reagierte, um das lokale Handwerk zu schützen. Akute Probleme stellten der Zustrom auswärtiger Fachkräfte und zu verarbeitender Rohwaren dar. Schloss man zunächst Abkommen mit Florenz, bevorzugte man dann jedoch die Katalanen als Handelspartner. Einen weiten Bogen spannt Elena Maccioni (S. 45–75), die sich der Handelsgerichtsbarkeit in Florenz, Venedig, Genua sowie im französischen Midi und in Aragón annimmt. Angesichts internationaler Handelskonflikte, allen voran des Repressalienwesens, gründete man mercanzie und ähnliche Institutionen, die bisweilen diplomatische Bedeutung und politisches Gewicht erlangten (siehe auch oben S. 422–424). „Tägliche Mikrokrisen“ von Florentiner Kaufleuten im Friaul (S. 78, unter weiter Auslegung des Begriffs) nimmt Tommaso Vidal (S. 77–107) in den Blick. Jene integrierten sich zunehmend in Ostoberitalien, schlossen Ehen mit Einheimischen. Ihre Organisationsformen wandelten sich, als Reaktion auf die Gegebenheiten vor Ort, von „präformellen“ Familiengeschäften (gekennzeichnet etwa durch Briefkommunikation und gemeinsame Güterverwaltung) zu hybriden Zusammenschlüssen, die lokale Vertragsformen und toskanische Handelspraktiken verquickten. Francesco Violante (S. 109–119) verfolgt die süditalienische Agrargeschichte. Friedrich II. und die Anjou förderten masserie (Gutshöfe), die auch von weiteren Akteuren eingerichtet wurden. Aufgrund politischer wie wirtschaftlicher Krisen änderte sich die Verwaltung des Landbesitzes, ebenso spezialisierte man sich in Anbau und Zucht. Zwei Beiträge widmen sich dem Episkopat: Fabrizio Pagnoni (S. 121–139) beobachtet, wie lombardische Bischöfe auf Enteignungen der Visconti veränderte Verwaltungspraktiken folgen ließen, etwa Modalitäten der Stellvertreterschaft anpassten oder neue Schriftformen (u. a. Imbreviaturen, Register) einführten; Riccardo Parmeggiani (S. 199–218) zeichnet nach, wie die Oberhirten auf aktuelle Herausforderungen antworteten, nämlich mit regelmäßigen Diözesansynoden, größerem Personalapparat oder intensivierten Kontrollen (Visitationen, schriftliche Aufzeichnungen). Zwei weitere Aufsätze behandeln religiöse Orden: Francesco Borghero (S. 141–165) zeigt, wie die Vallombrosaner mit den Pestfolgen umgingen. Die Generaläbte navigierten den Orden dank institutioneller Reorganisation, Einbezug von Notaren und neuartiger Dokumentation (Memorial-, Rechnungsbücher, Briefregister, Visitationsprotokolle) durch die schweren Zeiten. Cécile Caby (S. 167–198) wertet die zahlreichen Register der Kamaldulenser aus, deren Generalprioren es in Krisenphasen (Mitgliederschwund, Enteignungen, Schulden) mithilfe von Schriftproduktion und Archivierung möglich war, erfolgreich zu kommunizieren, koordinieren und kontrollieren. Ein Personen- und ein Ortsregister (S. 219–230) beschließen den lesenswerten Band, der wertvolle Eindrücke von den Problemlagen, aber auch von der Resilienz und den nicht selten schriftgebundenen Lösungsstrategien bietet.

Giuseppe Cusa