DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Nikolas Jaspert (Hg.), Ibero-Mediävistik. Grundlagen, Potentiale und Perspektiven eines internationalen Forschungsfeldes (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 17) Münster 2022, Lit Verlag, 569 S., Abb., ISBN 978-3-643-14597-0, EUR 64,90. – Seit 2004 erscheinen in der Reihe jährlich gelungene Sammelbände und Monographien, die sich mit vielfältigen Themen und Fragestellungen zur Geschichte der Iberischen Halbinsel befassen. Gut 15 Jahre nach der ersten Tagung in Erlangen erschien es daher dem Hg. angebracht, unter neuen Fragestellungen und Forschungsansätzen eine Bestandsaufnahme der ibero-mediävistischen Forschung anzustreben (S. 1). Das Ergebnis der Heidelberger Tagung von 2019 mit Beteiligung deutscher, spanischer und portugiesischer Fachleute liegt nun vor und illustriert einmal mehr das breite Spektrum der nach wie vor sehr lebendigen MA-Forschung zur Iberischen Halbinsel und die bestehenden Kooperationen. Eröffnet wird die Sammlung durch Antonio Malpica Cuello, La Arqueología medieval en el panorama historiográfico de la Península Ibérica: Viejos problemas y nuevas soluciones (S. 25–47), der einen gelungenen Überblick über die spanische MA-Archäologie und deren Besonderheiten bietet. – Wolfram Drews, Research on Spanish Jewry in the 20th and 21st Centuries between Germany and Israel: Changing Approaches and Perspectives (S. 49–67), widmet sich dem Vergleich zweier Gelehrter, Fritz (Yitzhak) Baer und Katrin Kogman-Appel, und der Frage, wie die jeweilige Situation jüdischer Gesellschaften deren wissenschaftliche Arbeit und Sichtweise geprägt hat. – Eines der bekannteren und erfolgreichen Projekte der letzten Jahre stellt die Iberia Pontificia dar, die im Rahmen eines Akademieprojekts 2007–2022 unter der Leitung von Klaus Herbers das Ziel verfolgte, sämtliche Papstkontakte auf der Iberischen Halbinsel bis 1198 zu erfassen. Die vielfältigen Ergebnisse der Iberia Pontificia werden von Klaus Herbers, Das Göttinger Papsturkundenwerk und die ‘Iberia Pontificia’ (S. 69–85), vorgestellt, u.a. der Band Papsturkunden in Spanien III, der zahlreiche, teils bisher unveröffentlichte Dokumente zur Papstgeschichte in Kastilien und León im Volltext bietet. Zudem sind seit 2022 drei weitere Regestenbände erschienen, etwa zur westgotischen Zeit oder zu fünf weiteren Bistümern in Kastilien und Navarra. – Maribel Fierro, Knowledge Transfer and Production in Early al-Andalus: Travel, Scholars and Book Circulation (S. 89–115), stellt die reichhaltigen Ergebnisse vor, die eine Auswertung arabischsprachiger Gelehrtenbiographien aus der Zeit von 711 bis 936 bieten kann. – Matthias M. Tischler, Knowledge Transfer on the Carolingian Periphery. The Case of Early Medieval Catalonia (S. 117–148), lenkt den Blick auf die reiche, aber international bislang immer noch nicht hinreichend berücksichtigte karolingische Überlieferung in Katalonien. – Christian Vogel, Der lange Schatten der Antike. Erbrechtliche Diplomatik im 9. und 10. Jahrhundert (S. 149–163), beschäftigt sich mit Erbschaften, Zeugen und Testamentsvollstreckern und arbeitet die teils signifikanten Unterschiede zwischen den Königreichen Asturien-León, Galicien und den katalanischen Grafschaften heraus. – Mit den Lebensverhältnissen frühma. Christen unter muslimischer Herrschaft befasst sich auf breiter Quellenbasis Matthias Maser, Tradition und Autorität im Recht der Christen von al-Andalus: Die arabische Kanonessammlung aus ms. árabe 1623 des Escorial (S. 165–192). – Die Umweltgeschichte gewinnt auch in der ibero-mediävistischen Forschung an Bedeutung, wie Enric Guinot i Rodríguez, Hidraulismo y paisajes irrigados del sur de la Corona de Aragón bajomedieval (S. 195–219), und María Isabel del Val Valdivieso, Estudiar el uso del agua en la Castilla bajomedieval (S. 221–238), zeigen, die sich mit der Bedeutung des Wassers und seiner Nutzung befassen. – Sandra Schieweck, Iberian Frontiers Revisited. Research Traditions and New Approaches (S. 239–272), bietet Einblicke in die Ergebnisse ihrer 2021 angenommenen Diss. zu Herrschaftsgrenzen in Kastilien. – Dem oft vernachlässigten Königreich Mallorca widmet sich Christian Alexander Neumann, The Kingdom of Mallorca and the Sea. Aspects of Medieval Iberian Maritimity Using the Example of the Two „Reintegrations“ (1285–1298 and 1343–1349) (S. 273–312). – Der Numismatik wendet sich Sebastian Steinbach, Imperator totius Hispaniae – Strategies of Identity, Claim and Legitimacy in the Kingdom of Castile and León between the 9th and 12th Century (S. 315–335), zu, indem er Münzen und vereinzelt Siegel auf die Nutzung des Kaisertitels in der Hispania hin untersucht. – Mit Carlos de Ayala Martínez, Iglesia, espiritualidad y violencia: Obispos guerreros y órdenes militares Siglo XII (S. 337–381), würdigt einer der profiliertesten Kenner der iberischen Kirchengeschichte die neueren Beiträge der iberischen Mediävistik zu religiös motivierter Gewalt und dazu, wie insbesondere eine Untersuchung der Rolle kämpfender Bischöfe auch für die internationale Kreuzzugsforschung neue Einsichten eröffnen kann. – Eloísa Ramírez Vaquero, Conocer, representar, informar. La Diplomacia como instrumento del poder regio: Navarra, s. XIV–XV (S. 383–403), zeigt das Potential der reichhaltigen Quellenbestände im navarresischen Generalarchiv auf. – Der Frage nach einer vermeintlichen ma. Geburtsstunde einer katalanischen Nation geht Flocel Sabaté, Collective Medieval Identities. What was a Catalan in the Late Middle Ages? (S. 405–431), nach. – Sozialgeschichtlichen Fragestellungen widmen sich Carlos Laliena Corbera, Historia rural y economía campesina en la Corona de Aragón (siglos XIII–XV). Un ensayo de síntesis (S. 435–474), und Javier Castaño, Deserving Poor and Rota Fortunae in Hispano-Jewish Society. A Preliminary Assessment (S. 475–495). – Einen sehr gelungenen Überblick über die Forschung zur Geschichte der Mudejaren sowohl in Spanien als auch Deutschland liefert Ana Echevarria, Fuentes y perspectivas para una historia sociocultural de los musulmanes bajo dominio cristiano en la Península Ibérica (S. 497–522). – Der einzige Beitrag zur Geschichte Portugals stammt von Luís Miguel Duarte, The Social Dimensions of Crime and Justice: Portugal in the Late Middle Ages (S. 523–538), ehe Roser Salicrú i Lluch, Cautiverio y esclavitud: nuevas preguntas y nuevas perspectivas de estudio desde las fuentes de la Corona de Aragón (S. 539–555), diesen imposanten Sammelband beschließt. – Diese sehr knappen Ausführungen können die Vielfalt der Anregungen, die in prägnanter Form dem Leser geboten werden, nur unzureichend wiedergeben. Deutlich wird, wie dynamisch und erfreulich lebendig die ibero-mediävistische Forschung nach wie vor ist und welchen Gewinn die Forschungslandschaften in Deutschland, Spanien und Portugal aus einem regen Austausch ziehen können.

Thomas Czerner