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The Cantelowe Accounts: Multilingual merchant records from Tuscany, 1450–1451, ed. by Megan Tiddeman (Records of Social and Economic History, N. S. 64) Oxford 2022, Oxford Univ. Press, XVI u. 187 S., ISBN 978-0-19-726685-4, GBP 50. – Sir William Cantelowe († 1464) hatte verschiedene Ämter in der Verwaltung des englischen Königreichs inne und war zugleich als vermögender Kaufmann mit internationalen Beziehungen erfolgreich tätig. Im Herbst 1450 schickte er eine Schiffsladung mit englischer Wolle an seinen Handelspartner in Florenz aus der bekannten Kaufmannsfamilie Salviati. Es handelte sich um eine umfangreiche Ladung von circa 50 Tonnen, deren Verkauf an 44 Käufer circa 25.000 Florenen einbrachte. Mit der Abwicklung und Abrechnung des Verkaufs beauftragte Sir William seinen Vertreter John Balmayn. Von ihm stammt das nun edierte Rechnungsbuch, das sich heute im Salviati-Archiv in Florenz befindet und 31 Blätter umfasst. Das Rechnungsbuch besteht aus mehreren Teilen: eine Liste mit den einzelnen Wollsäcken und ihrem Gewicht, eine Aufzählung der auf der Reise anfallenden Gebühren, eine Liste der Käufer und des Umfangs der einzelnen Transaktionen, eine Dokumentation der Wechselgeschäfte zur finanziellen Abwicklung der Verkäufe sowie einige zusätzliche Notizen und Briefe. Die Edition verfolgt das Ziel, das Namens- und Zahlenmaterial möglichst übersichtlich zu präsentieren. Die Seitengestaltung weicht dadurch stark vom ma. Original ab, fördert auf diese Weise aber in der Tat die Lesbarkeit des Textes. Erschlossen wird der Inhalt durch eine prägnante Einleitung zu den italienisch-englischen Wirtschaftsbeziehungen samt ihrem Niederschlag in den überlieferten Quellen, den beteiligten Hauptpersonen, den Editionsrichtlinien sowie mit zahlreichen Tabellen, die das Namens- und Zahlenmaterial inhaltlich erschließen. Das Ergebnis ist eine anregende Quellenedition für Historiker, die sich für den italienisch-englischen Handel, für den englischen Wollexport, für Rechnungsbücher und Wechselgeschäfte sowie für Handelsmarken und das Vordringen arabischer Zahlen interessieren. Das besondere Interesse der Editorin gilt dem Sprachgebrauch („Language use“ S. 25–52), denn John Balmayn verfasste das Rechnungsbuch zwar auf Mittelenglisch, verwendete daneben aber ebenso Anglo-Französisch, Latein und Italienisch. Häufig setzt sich ein Satz aus drei oder vier Sprachen zusammen („intra-sentential switching“), wobei der Autor übergangslos von einer Sprache in die andere wechselt. Zahlreiche Schlüsselwörter begegnen in verschiedenen Sprachen, wodurch die sprachliche Flexibilität des Autors besonders deutlich wird. Zwar ist eine ganze Reihe von solchen „mixed-language medieval business texts“ bekannt; die intensive Verschränkung von vier Sprachen verleiht den Cantelowe Accounts dennoch eine besondere Stellung innerhalb dieser Quellengattung. Das mehrsprachige Glossar spiegelt die Sprachvielfalt wider: „magasino (It.)/magasyne (ME): merchant’s warehouse“ oder „sole (Lat./It.)/sonne (ME): sun“. Eine Bibliographie und ein Namenregister schließen den Band ab. Wichtige neue Erkenntnisse zur italienisch-englischen Handelsgeschichte liefert das Rechnungsbuch zwar nicht. Die Mikroperspektive auf den Verkauf einer sehr großen Schiffsladung englischer Wolle in Florenz in der Mitte des 15. Jh. und die bemerkenswerte Sprachvielfalt des Textes machen die Lektüre dennoch zu einem lehrreichen und kurzweiligen Vergnügen.

Thomas Ertl