Nicola Di Cosmo / Lorenzo Pubblici, Venezia e i Mongoli. Commercio e diplomazia sulle vie della seta nel medioevo (secoli XIII–XV) (La storia. Temi 103) Roma 2022, Viella, 315 S., 15 Abb., ISBN 979-12-5469-005-5, EUR 32. – Die Expansion des von Dschingis Khan begründeten mongolischen Großreichs traf im Westen auf die kommerzielle und zunehmend auch militärisch-politische Expansion des venezianischen Imperiums. Nach dessen Ausgreifen in die Levante und ins Byzantinische Reich (4. Kreuzzug 1204) ermöglichten die Mongolen das weitere Vordringen Venedigs (neben Genuas) ins Schwarze Meer. Der Band stellt praktisch eine Geschichte der venezianischen Aktivitäten im Schwarzen Meer zwischen dem 13. und dem späten 15. Jh. dar, während die mongolischen Herrscher in abnehmender Intensität die Handelswege von dort bis weit nach Ostasien sicherten. Zwei große Hauptteile strukturieren den Band, deren erster zunächst die „klassischen“ Kategorien Politik, Wirtschaft und Gesellschaft abarbeitet und deren zweiter sich den kommunikativen Medien widmet, nämlich Bewegung, Instrumente und Handelsgüter. Nach einem Überblick über Venedigs Beziehungen zum Orient vor dem Vordringen ins Schwarze Meer mit Betonung des 4. Kreuzzugs, der Venedig die Herrschaft über die Meerengen bescherte, und des Vertrags von Nymphäum 1260, der die Dauerkonkurrentin Genua in die Vorhand brachte, als zentraler Ereignisse blickt das zweite Kapitel auf die Mongolen und Europa weitgehend aus mongolischer Perspektive und zugespitzt auf die mongolische Handelspolitik. Nach dieser Vorgeschichte wird es kleinteiliger: Venedig und das Schwarze Meer zwischen Nymphäum und der Gründung Tanas (heute Asov) – nicht auf der bevorzugten Krim (wo Genua sich in Caffa etablierte), sondern in der Don-Mündung – wohl um 1300 (auch wenn wir keine konkrete Zeit kennen). In die folgenden Jahre 1319–1343, aus denen diverse Verträge überliefert sind, fällt die Konsolidierung der Beziehungen zwischen Venedig und der (eurasisch-)mongolischen „Goldenen Horde“; der Zeitraum 1343–1360 wird charakterisiert als (multiple) Krisenzeit mit dem Niedergang des dschingisidischen Clans der Dschötschiden (1360–1395) sowie als die Zeit „nach der Goldenen Horde“ bis zur osmanischen Eroberung der gesamten Region. Der systematische zweite Hauptteil widmet sich ausführlich Marco Polos Reise im mongolischen Großreich in der zweiten Hälfte des 13. Jh. Marco war nach allem, was wir aus seinem sehr variabel überlieferten Reisebericht wissen, nie wirklich im Dschötschiden-Reich (anders als sein Vater und Onkel zuvor), aber seine „geografia commerciale“ spiegelt zunächst das venezianische Wissen um 1260 und ist nach seiner Rückkehr Ende des Jahrhunderts sicher wichtig gewesen für die venezianischen Sichtweisen – obgleich die Etablierung im Schwarzen Meer vor der (zweiten) Rückkehr der Polos geschah. Besonders an dieser Stelle allerdings wünschte man sich von dem Band einen systematischeren quellenkritischen Zugriff auf die zum Teil kompliziert überlieferten Zeugnisse, die uns von verschiedenen beteiligten Seiten vorliegen. Spannend sind dann vor allem die folgenden drei Kapitel: zum vernetzten („interconnesso“) Kontinent, dessen Herausforderungen mit Hilfe von Land- und Seerouten (dem Plural der „vie della seta“ aus dem Untertitel entsprechend) technologisch ebenso wie mit rechtlichen und Instrumenten der Vergemeinschaftung bewältigt wurden, zu den „Mitteln des Austauschs“ wie Geld, Sprache, Maße und Abgaben sowie schließlich zu den Handelswaren mit besonderem Gewicht auf dem (in italienischen Notariatsakten wohlbelegten) Sklavenhandel. Vor allem diese letzteren Kapitel werden durch den Anhang – navigazione; monetazione; pesi, misure e tassazione delle merci nell’impero mongolo; traffico degli schiavi a Tana fra XIV e XV secolo; il trattato fra Venezia e Abu Said [Herrscher im mongolischen Persien und nicht im Nordreich] del 22 dicembre 1320 – weiter erläutert. Eine ausführliche Einleitung und ein relativ kurzes Fazit runden ebenso wie die Bibliographie und ein Namensindex den nützlichen, weil perspektivisch ungewöhnlichen Band ab.
Felicitas Schmieder