Nekrologe und wo sie zu finden sind. Desiderate und Potentiale memorialer Überlieferung, hg. von Nina Gallion / Tobias P. Jansen / Heidrun Ochs, in: BDLG 159 (2023) S. 359–568: Die auf einen Mainzer Workshop des Jahres 2022 zurückgehenden Beiträge haben sich dem Anliegen verschrieben, „Nekrologe als Ausdrucksform verschiedenster mittelalterlicher, geistlicher wie weltlicher, persönlicher wie korporativer Lebensformen greif- und begreifbar sowie für uns moderne Menschen zugänglicher zu machen“ (S. 372). Sprachlich dergestalt beglückt und inhaltlich bereichert, liest man zunächst Martin Armgart, Nekrologe aus der Pfalz – und wo sie zu finden sind (S. 375–391), eine weitgefasste, auch Seel- und dörfliche Jahrzeitbücher umschließende Bestandsaufnahme der verstreuten pfälzischen Überlieferung mit Schwerpunkt auf den Speyrer Quellen. – Die Memorialbuchbestände der Stifte St. Kastor, St. Florin, Münstermaifeld, des Liebfrauenstifts, der Kartause auf dem Beatusberg und der Benediktiner von St. Maximin (Auszüge) sowie die erhaltenen Bruderschaftsbücher stellt präzise Martina Knichel, Memorienbücher im Landeshauptarchiv Koblenz – wo und wie man sie findet (S. 393–402), vor. – Joachim Oepen, Die Sorge um das Seelenheil in der Sancta Colonia. Kölner Totenbücher des Spätmittelalters (S. 403–415), kann bei der quantitativen Auswertung vor allem für St. Maria im Kapitol zeitliche Dynamiken bei den Memorienstiftungen ausmachen. – Bei ihrer Betrachtung vornehmlich benediktinischer, zisterziensischer und franziskanischer Quellen betont Gabriela Signori, Klösterliche Totenbücher aus dem 14. und 15. Jahrhundert: Einheit in der Vielfalt? (S. 417–454), die Schwierigkeit einer systematischen Erfassung, was „Sitz im Leben“ (Kapitelsaal, Refektorium, Kirche), Gestaltung der Hs. oder Ordensspezifika betrifft. – Tobias P. Jansen, Keep your manuscripts close! Überlegungen zur Herangehensweise an Nekrologüberlieferungen in Kapiteloffiziumsbüchern (S. 455–487), erreicht mit erhöhtem rhetorischen Aufwand die Einsicht, dass es sich bei der Leitquelle um „lebendige Medien und gewichtige Erinnerungsträger“ (S. 487) handelt, die ediert werden sollten. – Eine außergewöhnlich dichte Überlieferung aus Kalendar, Jahrzeit-, Jahrzins- und Seelbuch stellt Anne Rauner, Die nekrologischen Schriften der Pfarrei Sankt Georg in Hagenau im Spätmittelalter (S. 489–505), in kurzen Hss.-Beschreibungen vor. – Thorsten Fischer, Frauen und Memoria. Nekorologüberlieferung und Totengedenken in rheinisch-westfälischen Frauengemeinschaften (S. 507–523), regt nach erster Sichtung der hoch- und spätma. Quellen eine tiefergehende Erschließung an, die nicht zuletzt auch Beziehungsgeflechte zwischen den religiösen Instituten aufzeigen könnte. – Jens Lieven, Der Xantener Necrolog im „Codex Monasteriensis 101“. Überlegungen zum Totengedenken der Kanonikergemeinschaft von St. Viktor im ausgehenden 11. Jahrhundert (S. 525–540), führt eine ab etwa 1080 intensivere Nutzung der im Titel genannten Hs. auf Auswirkungen der Siegburger Reform und der Reformpolitik des Kölner Erzbischofs zurück. – Eine grundsätzlich sich ausdifferenzierende Entwicklung vom Kalendar mit nekrologischen Notizen zu den Anniversarien (über die Brücke der Kapiteloffiziumsbücher mit Nekrolog) nimmt Christoph Winterer, Formtypen der mittelalterlichen Memorialüberlieferung in Mainz und Umland (S. 541–568), an. Nicht durchgehend decken sich die Titelangaben des Inhaltsverzeichnisses mit jenen über den Aufsätzen.
Christof Paulus