900 Jahre Stadt Freiburg, 500 Jahre Stadtrechtsreformation. Ergebnisse, Kontexte und offene Fragen der Stadtrechtsgeschichte, hg. von Jürgen Dendorfer / Andreas Jobst / Frank L. Schäfer (Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, N.F. 85) Berlin 2024, Duncker & Humblot, 253 S., Abb., ISBN 978-3-428-18914-4, EUR 89,90. – Zu Recht unbeeindruckt davon, dass vier der elf Vorträge der (zudem pandemiebedingt von 2020 auf 2021 verschobenen) Jubiläumstagung nicht hier zum Druck gelangen konnten, legen die Hg. einen facettenreichen, lesenswerten Band vor. Wenigstens hinsichtlich des Stadtrechts von 1520 ist für die generelle quellentypologische Rahmung ergänzend auf den von Andreas Deutsch schon 2021 herausgegebenen Band Stadtrechte und Stadtrechtsreformationen (vgl. DA 79, 275f.) hinzuweisen, darin speziell auf den Beitrag von Wendt Nassall, Das Freiburger Stadtrecht des Ulrich Zasius von 1520 und seine praktische Anwendung (S. 399–422). Denn hier (S. 402–404) findet sich die in der Einführung von D. / Sch. aufgeworfene Frage nach dem „Einfluss der vorderösterreichischen Regierung auf die Abfassung der Stadtrechtsreformation“ vielleicht „noch nicht abschließend erforscht“ (S. 16), aber weiterführend behandelt. Der Auftakt mit dem überaus instruktiven Überblick von Gerhard Fouquet, Die mittelalterliche Stadt und ihr Recht. Freiburg im europäischen Rahmen (1050–1250) (S. 19–45), setzt einen wertvollen Kontrapunkt zum kontinentalen Topos einer Geschichte kommunaler Freiheit und bürgerlicher Autonomie im letzten Beitrag von André Johannes Krischer, Zwischen städtischer Selbstbehauptung und Empire building: Funktionen englischer Stadtrechte in der Frühneuzeit (S. 225–247). – Dazwischen geht es um Freiburg, aber nicht nur: Die seit einem Frontalangriff B. Diestelkamps 1973 immer wieder schwärenden Zweifel an der Existenz eines Freiburger Marktgründungsprivilegs kann Marita Blattmann, Die Freiburger Gründungsurkunde von 1120: Existenz, Inhalt und Rekonstruktionsverfahren (S. 47–69), mit einem klaren „Ja, es gab sie“ (S. 65) nun wohl auf Dauer ausräumen. Ihre komprimierte, klar rezipierbare und mit zwei Grafiken unterstützte Argumentation wird das Ihre dazu tun. – Felicitas Schmieder, Buch und Spruch – Funktionen von Mündlichkeit des „Magdeburger Rechts“ in Mitteleuropa (S. 71–89), zeigt u.a., dass diese von den Magdeburger Schöffen „absichtsvoll eingesetzt“ erscheint (S. 80), aber Probleme aufwarf, wenn Tochterstädte zu „Ersatzverschriftung“ griffen (S. 81). – Für Freiburg im Breisgau („mehr als eine Landstadt“), Freiburg im Uechtland („glücklose Schwesterstadt“) und Bern („Inszenierung einer Reichsstadt“) fragt, beantwortet und illustriert Martina Stercken, Legitimation vergegenwärtigen. Das Stadtrecht in der Geschichtsschreibung (S. 91–107), „in welcher Weise Chroniken Recht erinnern und in eine Form der Deutung städtischer Vergangenheit einbeziehen“ (S. 93). – Obwohl Bern ursprünglich Tochterstadt Freiburgs war, ging es für seine Stadtrechtsreformation dann unter geänderten politischen Bedingungen im wesentlichen andere Wege, die Sibylle Hofer, Das Freiburger Stadtrecht (1520) und die Berner Stadtsatzung (1539): Nähe und Ferne (S. 195–223), nachzeichnet. – Hans Schadek, Ulrich Zasius und seine engsten Weggefährten hin zum Freiburger Stadtrecht von 1520, Johannes Armbroster, Stadtschreiber, und Ambrosius Kempf von Angret, Privatier (S. 109–193), bietet schließlich hss.-basierten Forschungsfortschritt. Er kann anhand der Entwürfe der Stadtrechtsreformation zeigen, dass ihre Redaktion nicht auf einem Alleingang von Zasius beruht. Ob „die künftige Forschung … hinter diesen Befund nicht zurückfallen können“ wird (so in der Einleitung S. 16), muss sich erst noch zeigen – etwa dann einmal im Zasius-Artikel im HRG –; die NDB konnte diese Erkenntnisse jedenfalls noch nicht berücksichtigen (vgl. A. Deutsch, Art. Zasius, in: NDB 28, 2024, S. 602–604). Zwei kurze Personen- und Ortsregister runden den Sammelband ab.
Hans-Georg Hermann