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The Utrecht Chronicle of the Teutonic Order. A History of the Crusades in the Holy Land, Prussia and Livonia (Edition and Translation), ed. and translated by Rombert Stapel with the assistance of Christel Saridjo (The Military Religious Orders: History, Sources, and Memory) London / New York 2024, Routledge, XIII u. 566 S., Abb., ISBN 978-0-367-37328-3. – Die auf Mittelniederländisch geschriebenen Croniken van der Duytscher Oirden werden hier erstmals in einer Komplettedition mit englischer Übersetzung vorgelegt. Die bisherigen Editionen enthalten lediglich Auszüge aus dem Quellentext. Nun werden u.a. auch die Regesten zu päpstlichen und kaiserlichen Urkunden mitediert, welche die Chronik in großer Zahl enthält. Der Editor hat 2021 bereits eine detaillierte Monographie zu den Inhalten der Quelle vorgestellt. Diese wird im Englischen als ‘Utrecht Chronicle’, in der deutschsprachigen Literatur bisher meist als ‘Jüngere Hochmeisterchronik’ bezeichnet. Sie wurde in den 1480er und 1490er Jahre verfasst, Autoren sind der Utrechter Landkomtur Johan van Drongelen (1445–1492) und dessen Sekretär Hendrick Gerardsz. van Vianen (1479–1509). Grundlage der Edition sind vier mittelniederländische Hss., die den Gesamttext der Chronik enthalten. Im Mittelpunkt steht die Hs. Deutschordenszentralarchiv Wien, 392, eine „Autorenabschrift“, d.h. eine Art autographes Manuskript, das in direkter Zusammenarbeit mit den ursprünglichen Autoren niedergeschrieben worden ist. Verfasst wurde das Werk auf der Basis von 40–50 anderen erzählenden Quellen und dokumentiert so den ambitionierten Ansatz der beiden Autoren bei der Ausbreitung der Geschichte des Deutschen Ordens. Die Chronik ist, nach einem langen Prolog, im Gesta-Stil nach den Regierungszeiten der Hochmeister gegliedert. Sie breitet die Geschichte des Ordens im Heiligen Land, sodann in Preußen und Livland aus, interessanterweise aus einer niederländischen Perspektive und in einer Zeit, als der Deutsche Orden nach dem zweiten Thorner Frieden von 1466 weite Territorialverluste hatte hinnehmen müssen. Die Hochmeisterreihe als Gliederungsprinzip betont die Kontinuität der Ordensgeschichte über Jahrhunderte. Der Prolog stellt zudem die Gründungsgeschichte und damit das Herkommen des Ordens in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang. Das Narrativ beginnt nach der Sintflut mit einem besonderen Fokus auf die Geschichte Jerusalems und dort auf den Berg Zion. Dort gründete der Legende nach Kaiserin Helena das Hospital der Deutschen zu Ehren Mariens, das in höherem Ansehen stand als jenes, das später die Johanniter in Händen haben sollten. Am Ort des Deutschen Hospitals soll Jesus das letzte Abendmahl gefeiert und Maria gewohnt haben. Diese heilsgeschichtliche Heraushebung hatte der Initiator des Ordens, nach der Chronik Herzog Friedrich von Schwaben, im Sinn, als er den Deutschen Orden vor Akkon gründete und anschließend sofort von Kaiser und Päpsten privilegieren ließ. Laut der Chronik verstarb Herzog Friedrich in Akkon und wurde 1192 (!) in der neuen Deutschordenskirche begraben, in der Realität aber vermutlich nicht dort, sondern vor der Stadt, da diese sich noch in den Händen der Muslime befand. Nach den ersten Privilegien von Papst Honorius III. werden die einzelnen Statuten und Gebräuche der Ordensangehörigen ausführlich aufgeführt, die von diesem Papst sowie seinem Nachfolger Gregor IX. bestätigt worden sind. Damit wird die unmittelbare Unterstellung des Ordens unter das Papsttum fundiert. Dann folgen die von Hochmeister Hermann von Salza erwirkten Privilegien Kaiser Friedrichs II. als bedeutsamer Hinweis auf die Nähe zum Kaisertum. Erst dann kommt die eigentliche Geschichte der Hochmeister, beginnend mit Heinrich Walpot. Eine recht detaillierte Geschichte des heidnischen Preußen ist der Eroberung durch den Deutschen Orden vorangestellt. Auf dieselbe Weise werden auch Livland und Kurland beschrieben. Wie bedeutsam die Nähe zu den Päpsten nicht nur in der Gründungszeit war, zeigen die ausführlichen Regesten zu Bullen Innocenz’ IV. und Alexanders IV. Regelmäßig werden nun für die folgenden Jahrhunderte unter den einzelnen Hochmeistern die königlichen und päpstlichen Privilegierungen aufgeführt. Die Chronik verschweigt aber auch nicht die Niederlagen des Ordens, etwa den Verlust der Besitzungen im Heiligen Land wie auch – weniger ausführlich – die Niederlage bei Tannenberg (Grunwald). Mehr Raum nimmt dann die Auseinandersetzung mit den preußischen Städten unter dem zuletzt beschriebenen Hochmeister Ludwig von Erlichshausen ein. Listen verlorengegangener und zurückeroberter Burgen und Städte in Preußen und Livland geben einen interessanten statistischen Einblick in die politische Situation um die Mitte des 15. Jh. Die hierarchische Einordnung von Hoch-, Deutsch- und livländischem Meister schließt diesen Teil der Chronik ab, ehe die Autoren sich der Ballei Utrecht mit ihren Kommenden und Kirchen sowie der Liste der dortigen Landkomture zuwenden. Die Edition ist für die Deutschordensforschung von grundlegender Bedeutung, dokumentiert sie doch das breite Wirken des Ordens im Mittelmeerraum wie in Ostmitteleuropa. Mit der speziellen Geschichte der Ballei Utrecht wird schließlich auch ein bedeutsamer Blick auf Nordwesteuropa geworfen.

Helmut Flachenecker