Walter Berschin Mittellateinische Studien IV, mit Beiträgen von Tino Licht, Heidelberg 2022, Mattes Verlag, X u. 325 S., 38 Abb., ISBN 978-3-86809-182-3, EUR 75. – In gleicher Gestaltung wie die drei Vorgängerbände aus den Jahren 2005 (vgl. DA 62, 653f.), 2010 (vgl. DA 69, 166f.) und 2017 vereint auch der vierte Band Abdrucke von durchgesehenen und teilweise erweiterten Aufsätzen mit bislang unveröffentlichten Arbeiten. Die wiederabgedruckten Aufsätze sind meist jüngeren Datums – allein zwölf sind erstmals zwischen 2016 und 2021 erschienen. Nicht nur aufgrund des Senioritätsprinzips ist unter ihnen insbesondere hervorzuheben: Notkers Metrum de vita S. Galli. Einleitung und Edition (S. 119–167) führt die gleichnamige Publikation von 1980 (vgl. DA 38, 578f.) mit dem Aufsatz „Kritische Verse Notkers des Stammlers. Auf Gozberts Münsterbau“ von 1995 (vgl. DA 51, 562) zusammen. – Auch sechs bisher unveröffentlichte Texte sind enthalten: Gibt es eine mittellateinische Methode? (S. 1–10) zeigt an den Beispielen des Virgilius Romanus, des St. Galler Klosterplans und der Tabula Peutingeriana auf, dass die von „der Betrachtung der Schrift, ihrer mikroskopischen Analyse vor makroskopischem Hintergrund“, d.h. „die von den Handschriften ausgehende Methode“ (S. 9f.) im Mittellateinischen am zielführendsten ist. – Ein Buchmaler des V. Jahrhunderts meldet sich zu Wort (Bern, Burgerbibliothek 264) (mit T. Licht) (S. 55–57) stellt ein fünfzeiliges Programmgedicht aus dem Berner Prudentius vor. – Walahfrid Strabo († 849) als Praefationist (S. 99–106) unternimmt einen kursorischen Durchgang durch 15 Vorreden Walahfrids, zu denen im weiteren Sinn auch gelegentliche Schlussworte gerechnet werden und deren gemeinsame Charakterzüge in Walahfrids „Meisterwerk auf dem Gebiet der Praefationistik“ (S. 105), der Vorrede zu Einhards Karlsvita, kulminieren. – Neues zum Waltharius (S. 201–212) macht (I) wahrscheinlich, dass das um 980 in Lorsch geschriebene Hamburger Walthariusfragment (Hamburg, Staats- und Univ.-Bibl, Cod. 17 in scrin. 1,1) zu der Hss.-Klasse gehört, die den Geraldus-Prolog enthält; aktualisiert in knappen Überblicken (II) die Kenntnisse zur hsl. Überlieferung sowie (III) zur Verzeichnung des Waltharius in ma. Bibliothekskatalogen; stellt (IV) grammatische Auffälligkeiten des anonymen Autors zusammen. – Augiensia I–III (S. 225–241) vereint einen wiederabgedruckten Beitrag (vgl. DA 78, 317) zum „Augsburger Sakramentar“ (München, Bayerische Staatsbibl., Clm 30040), für dessen Entstehungszeit „Reichenau um 1060“ (S. 233) vorgeschlagen wird, mit einem bisher unveröffentlichten Beitrag zum Evangeliar Wien, Österreichische Nationalbibl., 1229, das in unmittelbarer Nähe zum Prachtsakramentar Stuttgart, Württembergische Landesbibl., Don. 191 (Reichenau um 860), verortet wird, und einer Übersicht über 69 sichere und drei zweifelhafte illuminierte Hss. der Reichenau von 825 bis 1070. – Quar tot lur mieill en estz dos perdut an. Bertolome Zorzis Planh auf den Tod Konradins von Hohenstaufen und Friedrichs von Österreich (1268) (S. 263–267) gibt provenzalisch/okzitanischen Text und Übersetzung des fünf Strophen zu elf Versen und zwei Tornadas zu vier Versen umfassenden politischen Gedichts des venezianischen Trobadors, eines „der letzten Autoren Italiens, die provenzalisch dichteten“ (S. 263). – Animarum Silva. Zwanzig lateinische Bagatellen (S. 273–301) vereint als eine Art autobiographische Appendix skizzenhaft dargestellte, teils heitere, teils ernste und anrührende Erinnerungen aus dem Leben B.s: eine sehr persönliche, aber in gewisser Weise auch stimmige Beigabe zu den gesammelten Schriften des besten Kenners der mittellateinischen biographischen Literatur.
B. P.