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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Borys Paszkiewicz, Śląsk w X wieku: źle postawione zagadnienie [Schlesien im 10. Jh.: ein falsch gestelltes Problem], Slavia Antiqua 64 (2023) S. 77–131 (mit engl. Abstract), greift die seit langem geführte Diskussion über die Zugehörigkeit des ältesten Schlesien wieder auf. Antworten sucht er nicht nur in den wenigen schriftlichen Quellen, sondern vor allem in der Analyse von Münzfunden und Ausgrabungen (Burgen). P. hält es für den grundlegenden Fehler der bisherigen Forschung, das spätere Schlesien als ein Ganzes mit einem gemeinsamen Schicksal zu betrachten. Es handelte sich eher um ein Mosaik kleiner politischer Strukturen, die in der ersten Hälfte des 10. Jh. schwach organisiert waren. Erst um 950 kam es zu Veränderungen, als die Böhmen unter sächsische Herrschaft gerieten, was für sie die Kommunikationswege entlang der Lausitzer Neiße blockierte und sie dazu veranlasste, weiter östlich nach Ersatz zu suchen. In der Folge dehnten sie ihre Kontrolle auf das Gebiet zwischen den Sudeten und Breslau aus, mit einem Zentrum in Nimptsch/Niemcza; weiter nördlich erstreckte sich ein Bereich loser Tributpflichtigkeit. Diese Zone wurde um 980 von den Piasten unterworfen, die dann in den letzten Jahren des 10. Jh. die Oder überquerten und den Böhmen das gesamte Gebiet bis ins Gebirge wegnahmen. Die Oder hörte auf, die Rolle einer Verteidigungsgrenze zu spielen, und konnte nun zu einer Kommunikationsachse werden, die es ermöglichte, auf dem Weg vom Rhein nach Kiew Prag zu umgehen, was wesentlich zum Untergang des „Reichs der böhmischen Boleslavs“ beitrug. Es erleichterte auch die Konsolidierung der Territorien auf beiden Seiten der Oder, die im Lauf der Zeit zu einer Provinz des Piastenstaats wurden. Sehr gut dokumentierte Ausführungen liefern eine überzeugende Erklärung für die grundlegenden Veränderungen an der Schnittstelle zwischen Böhmen, Polen und dem Reich.

Tomasz Jurek