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Stefan G. Holz, Rolle und Kodex. Die Schriftlichkeit der königlichen Finanzverwaltung Englands unter Eduard I. (1272–1307) (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 87) Berlin / Boston 2022, De Gruyter Oldenbourg, VI u. 265 S., Abb., ISBN 978-3-11-077602-7, EUR 59,95. – Die 2018 von der Philosophischen Fakultät der Univ. Heidelberg als Diss. angenommene und für den Druck leicht überarbeitete Studie untersucht die Gründe für die zunehmende Ablösung der Rollen- durch die Codex-Form in der englischen Finanzverwaltung unter König Eduard I., insbesondere auch in Hinblick auf die in anderen Kontexten bereits gestellte Frage, ob hier ein englischer „Sonderweg“ festzustellen ist. Die Einleitung (S. 1–11) skizziert Fragestellung, Forschungsstand und Methodik, Kapitel 2 (Pragmatische Schriftlichkeit und administrativer Kontext, S. 13–36) gibt einen Überblick über die königliche Verwaltung Englands ab 1066 bis in die Zeit Eduards I. Im folgenden dritten Abschnitt (Überlieferungsformen und Quellengattungen, S. 37–90) stellt der Vf. mit Blick auf die materielle Form der Überlieferung die einzelnen Quellen für die englische Finanzverwaltung (Urbare, Rechnungen, Kopiare etc.) vor. In Kapitel 4 (Produktions- und Nutzungskontexte, S. 91–162) wird gefragt, inwiefern die Produktion (also vor allem die Herstellungskosten) und die Nutzung (Praktikabilität bei der alltäglichen Verwendung des Verwaltungsschriftguts etc.) eine Auswirkung auf die materielle Form der administrativen Aufzeichnungen hatten, Kapitel 5 (Vorbilder, S. 163–191) geht schließlich der Frage nach, welche Rolle äußere Faktoren, die zur Nachahmung animieren konnten, bei der Entscheidung für oder gegen die Rolle bzw. den Codex spielten. Nach Auswertung der im Zuge dieser Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse kommt der Vf. zu dem Ergebnis, dass die in der bisherigen Forschung mehr oder weniger vehement ins Treffen geführten Argumente wie jenes der billigeren Produktionskosten der Rolle oder der einfacheren Handhabung der Codexform wohl zu relativieren sind und zum Teil so auch nicht zutreffen, zumal etwa die Form der Stapelrolle (Exchequer-Stil) nur bedingt als Rollenform gewertet werden kann bzw. andere Eigenschaften als jene der üblichen Kanzleirollen hatte. Vielmehr scheint der Verwaltungsroutine bzw. der Herausbildung institutioneller Identitäten in der Frage, ob vermehrt auf die Rollen- oder Codex-Form gesetzt wurde, eine größere Bedeutung zugekommen zu sein, wie das tendenzielle Festhalten an der Rollenform im Exchequer im Unterschied zur Garderobe zeigt. Eine erhebliche Rolle bei dieser Entscheidung zum Medienwechsel in der Garderobe dürfte auch die vermehrt festzustellende Präsenz von italienischen Kaufleuten am königlichen Hof gespielt haben. Insgesamt möchte der Vf. in Hinblick auf die administrative Schriftlichkeit in England um 1300 im Vergleich mit den kontinentaleuropäischen Entwicklungen auf diesem Gebiet nicht von einem „Sonderweg“ sprechen.

M. W.