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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Martin Čapský et al., Reprezentace a praxe sociální kontroly v pozdně středověkých městech [Repräsentation und Praxis sozialer Kontrolle in spätmittelalterlichen Städten], Prag 2024, Scriptorium, 444 S., ISBN 978-80-7649-053-6, CZK 414. – Der Sammelband präsentiert die Ergebnisse eines internationalen Projekts (neben tschechischen sind ein polnischer und eine österreichische Vf. beteiligt), das sich mit frühen Formen der Sozialdisziplinierung in den böhmischen Königsstädten in der zweiten Hälfte des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jh. beschäftigt. Einige Beispiele stammen auch aus Städten der Nachbarländer (insbesondere aus Schlesien und dem angrenzenden Reichsgebiet), wobei methodische Ansätze zur Erforschung der politischen Kommunikation in westeuropäischen Städten berücksichtigt werden. Die Hauptfrage des Buchs ist, wie die Kommunikation zwischen dem Stadtrat und der Gemeinde verlief und ob es Vermittlungsinstanzen für diese Kommunikation gab. Martin Čapský (S. 61–110) versucht, die Stadtviertel-Organisation zu verstehen und zu erklären, die z. B. bei der Wahl der Gemeindeältesten angewandt wurde. Hier zeigt sich ein Unterschied zwischen dem böhmischen Gebiet und dem Reich (vor allem im westlichen Teil), wo die Stadtviertel ihre eigenen Vertreter für die Kommunikation mit dem Stadtrat hatten. In den böhmischen Königsstädten bildeten die Stadtviertel ursprünglich ein Verwaltungsnetz, auf dessen Grundlage das städtische Aufgebot organisiert oder die Abgaben eingetrieben wurden. Diese Organisation erfuhr zu Beginn des 16. Jh. eine wesentliche Änderung, als die direkt dem Stadtrat unterstellten Quartiershauptleute neue Aufgaben erhielten (auch wenn die Quellen nicht immer eine genaue Chronologie erlauben), wie z. B. die Organisation der Feuerwehr, nächtliche Wachen, das Eingreifen bei Unruhen und Zugang zu den Bürgerhäusern. Der Vorwand für das Betreten der Häuser war in der Regel die Kontrolle des Rauchabzugs, aber manchmal kontrollierten die Stadtvögte und ihre Untergebenen auch die Personen, die sich in und um die Häuser herum aufhielten: Prostituierte, Tagediebe und schwangere Mägde. Die Vögte waren verpflichtet, die Einhaltung des Freitagsfastens zu kontrollieren und darüber dem Bürgermeister schriftliche Aufzeichnungen zu übergeben (siehe auch unten S. 816). Neben der Stadtviertel-Organisation widmen sich die Vf. auch anderen Institutionen, die den Stadtrat bei der Kontrolle des städtischen Raums unterstützten: Pfarreien und Nachbarschaften (Mateusz Goliński, S. 111–176). Etwas überraschend ist das geringe Interesse des Rates daran, die städtischen Zünfte für die soziale Kontrolle zu nutzen. Eine weitere Besonderheit stellten die Adelshäuser dar, die als isolierte Inseln eines anderen Rechtssystems die Einheitlichkeit des städtischen Umfelds störten. Sie waren für den Stadtvogt und andere städtische Verwaltungsorgane nicht so leicht zugänglich wie gewöhnliche Bürgerhäuser. Die Entwicklung der sozialen Kontrolle wird an einigen Konflikten in Iglau (Jihlava), Chrudim, Hradec Králové (Königgrätz) und zwischen der Prager Alt- und Neustadt demonstriert (Martin Čapský, S. 232–265). Besondere Aufmerksamkeit wird dem Aufstand der Kuttenberger Bergleute in den Jahren 1494–1496 gewidmet (Viktor Pohanka, S. 302–326). Ein kurzes Kapitel führt in die Instrumente der Schriftkultur ein: Eidformeln (Hana Komárková, S. 177–192) und Anordnungen und Instruktionen (Alexandra Kaar, S. 193–201). Das Buch schließt mit einem Quellenanhang (Petr Kozák, S. 335–394).

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