Anna Pumprová / Jan Slíva / Richard Psík (Hg.), Soukromé modlitby Jana z Jenštejna [The Private Prayers of John of Jenstein] (Interpretationes A 8) Praha 2023, Scriptorium, 324 S., ISBN 978-80-7649-052-9, CZK 380. – Johann von Jenstein (ca. 1350–1400), der dritte Erzbischof von Prag (1379–1396), gehört zu den bedeutenden Gestalten der böhmischen Geschichte, denen nicht allein die heimische Geschichtsschreibung nach vielversprechenden Anfängen noch immer vieles schuldig geblieben ist. Der Metropolit gilt vor allem als gescheiterter Vertreter der kirchlichen Macht, der im Kampf um die volle libertas ecclesiae der weltlichen Macht, vertreten durch den römischen und böhmischen König Wenzel IV., unterlag und daraufhin gezwungen war, sein erzbischöfliches Amt niederzulegen und seine letzten Jahre in Rom zu verbringen. Sein umfangreiches epistolographisches und literarisches Werk hat zwar zu Recht Beachtung gefunden, ist aber editorisch nur unzureichend erschlossen und analysiert. Doch es bahnen sich auf diesem Feld nunmehr Verbesserungen an. Ein Autorenkollektiv unter der Leitung von Anna Pumprová hat jetzt eine kritische Ausgabe der vollständigen Sammlung von Jensteins 18 privaten Gebeten (Oraciones) mit einer parallelen tschechischen Übersetzung vorgelegt. Die Vf. stellen das Werk in einen umfassenden biographischen und literarischen Kontext (tschechische Version S. 9–122, englische Version S. 123–247). Jensteins eigener literarischer Nachlass mit liturgischen, homiletischen, exegetischen Texten, theologischen Abhandlungen und Polemiken ist am besten und dichtesten in zwei Hss. überliefert: Città del Vaticano, Bibl. Apostolica Vaticana, Ms. Vat. lat. 1122, Ende 14. Jh., aufwendig gestalteter Pergamentcodex (sog. Jenstein-Codex), in der Edition mit V gekennzeichnet; Breslau/Wrocław, Bibl. Uniwersytecka, Ms. I F 777, Papier, 15. Jh., mit der Sigle W. Jensteins Briefe privater Natur sind in einer Hs. enthalten, Prag, Nationalarchiv, Böhmische Hofkanzlei, Signatur 147. Nach einer ausführlichen Darstellung des literarischen Werks des Erzbischofs (die Übersicht berücksichtigt die Abfolge im vatikanischen Codex) stellen die Vf. die Gebete Jensteins in den Kontext der ma. Gebetspraxis und der Gebetssammlungen in Böhmen im 14. Jh. Die Entstehung der Oraciones wird in die Jahre 1395–1398 datiert. Diese Oraciones in Prosa und Versen folgen dem üblichen Aufbau privater Gebetbücher und enthalten mehrere Abschnitte: Gebete an Gott und die Jungfrau Maria, an ausgewählte Heilige (allgemein verehrte und solche, die speziell mit der Person und dem Hof Karls IV. verbunden sind: der heilige Hieronymus, die heilige Katharina, der heilige Sigismund), Gebete für jeden Tag (vor dem Einschlafen, nach dem Aufwachen, zum Schutzengel, Danksagung) sowie Gebete in schwierigen Lebenssituationen (für Pilger und Menschen in Gefahr, für einen guten Tod und das Heil der Seele). Einige der Gebete mögen für die liturgische Feier von Festen geschrieben worden sein, aber als Ganzes im Codex waren die Texte zweifellos für die private Andacht des Johannes von Jenstein bestimmt, und ihr Inhalt reflektiert daher stark seine Persönlichkeit und Spiritualität. Die kritische Edition (S. 250–301) basiert auf den beiden genannten Codices (V fol. 134va–138rb; W fol. 309vb–314rb) und wird von editorischen Anmerkungen sowie Kommentaren der Hg. begleitet. Die vorbildliche Edition mit ihrer ausführlichen Einführung in den Lebenslauf und das Werk Jensteins kann – in den allzu bescheidenen Worten der Vf. – optimistisch als „erste Station auf dem Weg, das literarische Schaffen des Johannes von Jenstein zugänglich zu machen und zu studieren“, bezeichnet werden.
Jan Hrdina