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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Sheilagh Ogilvie, The European Guilds: An Economic Analysis, Princeton 2019, 645 S., ISBN 978-0-691-13754-4, USD 47. – O. verfolgt auch in der vorliegenden Monographie die These, Zünfte seien wettbewerbsfeindlich gewesen, hätten die Märkte manipuliert und Innovationen verhindert. Dafür untersucht sie den Zeitraum von 1000 bis 1880 mit einem deutlichen Schwerpunkt auf der frühen Neuzeit. Im Gegensatz zu früheren Publikationen berücksichtigt O. diesmal auch Frauen. Zu ihren Aussagen über die „Opfer“ der angeblich übermächtigen Zünfte, neben Frauen auch Migranten, Juden usf., kann sie nur gelangen, da sie „zunftfreie“ Handwerker und Gewerbetreibende nicht berücksichtigt. Erneut untersucht sie schwerpunktmäßig gewerbliche Zünfte, diesmal vor allem im Bereich des Handwerks. Indem sie Bruderschaften und militärische Einungen ausblendet und politische Zünfte nur als Instrumente des Machtstrebens sieht, kommen die Komplexität und die Dynamik, die Zünften zu eigen war, definitiv zu kurz. Damit bleibt auch die grundlegende Frage unbeantwortet, warum sich Zünfte über so viele Jahrhunderte als Institutionen so erfolgreich im Wirtschaftsleben der Vormoderne behaupten konnten, wenn sie doch, so O., nur Wachstumsbremser und Innovationsverweigerer waren. O.s Studie quillt über vor Datenmaterial – es lässt sich allerdings nicht überprüfen, woher dieses stammt, da unter jeder Tabelle derselbe Satz steht: „Source: quantitative guilds database (see text)“. Exemplarisch nenne ich Tabelle 1.2 (S. 15), wo exakte Zahlen zu Zunftmeistern geboten werden, ich zähle 31 Städte in ganz Europa, die für die Zeit vom 14. bis 18. Jh. erfasst wurden, und diese werden auf genau einer Druckseite dargestellt. Obwohl O. in früheren Studien auch mit Archivmaterial gearbeitet hat, nennt die fast 50seitige Bibliographie keine ungedruckten Quellen. Irritierend ist auch, dass in der Studie (und Datenbank?) Straßburg fehlt, da dort Überlieferungs- und Forschungslage gut sind. Insgesamt handelt es sich auch bei diesem Buch der Vf. um einen wichtigen Beitrag zu Zünften, und die Öffnung Richtung gesamteuropäischem Vergleich wird weitere Forschung inspirieren.

Sabine von Heusinger