DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Sofia Boesch Gajano, Res sacrae. Strumenti della devozione nelle società medievali (La storia. Temi 102) Roma 2022, Viella, 161 S., Abb., ISBN 979-12-5469-021-5, EUR 24. – Hinter dieser kleinen Monographie verbirgt sich eine grundlegende Einführung in die „heiligen Dinge“ und den Umgang mit ihnen von der Spätantike bis ins MA (14. Jh.) mit Ausblicken in die frühe Neuzeit (Tridentinum). B. G. verfolgt anthropologische und kulturwissenschaftliche Ansätze, wie sie aus der französischen und amerikanischen Forschung geläufig sind (in der Einleitung führt sie umfassend in die internationale Historiographie ein). Den Platz der res sacrae im religiösen Kultus – es geht fast ausschließlich um Reliquien und Reliquiare, um Bilder und die Eucharistie – verortet sie an der Nahtstelle zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen menschlicher und übernatürlicher Sphäre. Sie erörtert die transformatorische Fähigkeit dieser identitätsstiftenden Objekte und deren soziale und institutionelle Relevanz. Die von ihr vorgestellten Objekte, Narrative und rituellen Praktiken stammen aus ganz Europa, angefangen von Italien über Spanien und Frankreich bis ins Reich und nach England. Die Schriftquellen sind im Anhang umfassend nachgewiesen und daher leicht auffindbar. Das Buch ist chronologisch angelegt. Kapitel 1 behandelt die Erfindung des heiligen Körpers und der heiligen Orte im östlichen Märtyrerkult, das Aufkommen der eucharistischen Feier und des Verständnisses der Bilder als Kultobjekte in der Spätantike. Kapitel 2 befasst sich mit Objekten und Riten in der Phase der Christianisierung im Westen am Beispiel der hagiographischen Narrative Gregors d. Gr. und Gregors von Tours. Anhand des angelsächsischen Raums beschreibt sie den Übergang von den loca sancta zur Sakralisierung von Territorien mit Hilfe der Wunder des heiligen Oswald in der Darstellung des Beda Venerabilis. In Kapitel 3 setzt sie sich mit der Verfassung und Legitimation der religiösen Form in der Karolingerzeit durch die Konzilien- und Kapitulariengesetzgebung auseinander. Sie führt in die Kontroverse um die Bilder ein und um das Ringen um die Autorisierung der priesterlichen Gewalt am Beispiel der Eucharistie. Kapitel 4 behandelt die Sakramente und Frömmigkeitspraktiken im Zeitalter der Kirchenreform und der Kreuzzüge (Odo von Cluny, Libelli de lite, der heilige Gral). In Kapitel 5 verfolgt sie die Veränderungen der Wunderheiligen und der eucharistischen Wunder in den hagiographischen Erzählungen des Petrus Venerabilis und den Zisterziensersammlungen des 12. und 13. Jh. Kapitel 6 ist der (Frauen-)Mystik und dem eucharistischen Kult (Fronleichnamsfest) des 14. Jh. gewidmet. Im abschließenden Kapitel über den Gebrauch und Missbrauch der res sacrae geht sie zum einen auf die Funktion der res sacrae bei der Vermittlung von Dogmen an die Gläubigen ein, zum anderen auf deren Einsatz im Kampf gegen Häresien und Juden. Das Büchlein bietet eine solide Einführung in den Gebrauch der „heiligen Dinge“ vom 4. bis 17. Jh. Nicht kohärent erscheint mir die Auswahl der drei Objektgruppen. Denn zum einen gehört die gesamte Ausstattung einer ma. Kirche zur liturgischen Kategorie der res sacrae (um dies festzustellen, genügt ein Blick in die Corpuswerke von Joseph Braun), zum anderen nimmt die Eucharistie als Mysterium eine Sonderstellung ein und lässt sich nicht ohne Weiteres unter diese ornamenta subsumieren.

Hedwig Röckelein