Luciana Petracca, Le terre dei baroni ribelli. Poteri feudali e rendita signorile nel Mezzogiorno aragonese (I libri di Viella 419) Rom 2022, Viella, 334 S., ISBN 979-12-5469-004-8, EUR 32. – Das Königreich Neapel des 15. Jh. hatte wenig gemeinsam mit dem zentralisierten Staat Friedrichs II. oder Karls I. von Anjou, und die Regierung des Königs war eine „ausgehandelte“ Macht, die auf einer Reihe von Balanceakten beruhte. Wie die Vf. in der Einleitung (S. 9–21) erklärt, wurde der ab dem 14. Jh. stärker werdende Einfluss des Hochadels (der „Barone“) seit dem Dynastiewechsel von 1442 unter den Königen Alfons und Ferdinand Objekt von Kontrollversuchen der Monarchie. Die Zentralisierungspolitik der Könige stieß beim Adel auf Widerstand, besonders unter Ferdinand (1458–1494); bekanntlich kam es in den Jahren 1485/86 sogar zu einem offenen Krieg, der als „Verschwörung der Barone“ bekannt ist. Die Persönlichkeiten dieser Hochadeligen und ihre Familien sind gut bekannt, relativ wenig findet man in der bisherigen Geschichtsschreibung zu ihrer Verwurzelung im Territorium, ihren wirtschaftlichen Ressourcen und zur Verwaltung ihrer Herrschaften. Genau auf diesen Punkt zielt P. und untersucht dazu zahlreiche, meist unveröffentlichte Quellen, vor allem den Bestand Relevi des Staatsarchivs Neapel, der unter anderem Bewertungen der beschlagnahmten Güter und Ländereien der Rebellen enthält. Letztlich geht es also um die Grundherrschaft in Süditalien gegen Ende des MA. Das erste Kapitel (S. 25–41) behandelt kurz die Ereignisse des Kriegs von 1485/86, das zweite (S. 43–74) beschreibt ausführlich die „Feudalgeographie“ des Königreichs auf der Basis der sechs damaligen Steuerbezirke. Mit dem dritten Kapitel (S. 77–122) beginnt die eigentliche Untersuchung, hier werden die „Gerichtseinkünfte“ der Hochadeligen betrachtet, d.h. Einnahmen aus der Rechtspflege (bancum iusticie) und lokale Steuern im Rahmen der baiulatio (die im 13. Jh. noch von der Monarchie kontrolliert wurde) sowie eine Reihe anderer Steuern und Abgaben. Das vierte Kapitel (S. 123–143) untersucht die Einküfte der Adelsfamilien aus ihrem Grundbesitz, Zinsen, terraggi, Zehnten usw. Im fünften Kapitel (S. 145–162) geht es um direkte Einkünfte aus der Bewirtschaftung oder Verpachtung des Immobilienbesitzes. In den Schlussbemerkungen (S. 162–177) betont die Vf. den außergewöhnlichen Wert der benutzten Archivalien, die eine detaillierte Beschreibung des Vermögens und der Einkünfte des Hochadels bieten. Drei Aspekte sind hervorzuheben: feudale Pflichten, die von der Bevölkerung getragen wurden; die Erweiterung der feudalen Gerichtsbarkeit, mit Erwerbung des merum et mixtum imperium; die Tatsache, dass die Feudalherren den Hauptteil ihrer Einkünfte über Zinsen, terraggi und Zehnten bezogen. Die Bauern lieferten an den Herrn meistens noch nur etwa 10 % ihrer Ernten und Einkünfte, was sich im folgenden Jahrhundert zu ihren Ungunsten verändern sollte. Diese Aufgliederung der Einkünfte des Adels zeigt ein großes Interesse der „Barone“ an der wirtschaftlichen Entwicklung des Territoriums unter ihrer Kontrolle, auch erste protoindustrielle Initiativen (insbesondere im Sektor der Wollproduktion) sind zu beobachten. Einen wichtigen Teil des Buchs bilden die Anhänge: Tabellen über die Einkünfte einzelner Adelsfamilien (S. 179–196), Biographien der „rebellischen Barone“ von 1485/86 (S. 199–254), Karten zum Grundbesitz des Adels (S. 255–280), das Literaturverzeichnis (S. 281–311) und ein Namenregister (S. 313–334). Die Vf. ist eine Spezialistin für die Feudalherrschaft in Süditalien am Ende des MA, und dieses Buch baut zwanglos auf ihren Arbeiten zur Verwaltung des Fürstentums Tarent unter der Herrschaft der Familie Del Balzo Orsini auf. Alle diese Werke zeichnen sich dadurch aus, dass bisher wenig bekannte und benutzte Archivquellen aus Neapel gründlich untersucht und der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Kristjan Toomaspoeg