Die Inschriften der Stadt Regensburg IV. Das Kollegiatstift Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle, gesammelt und bearbeitet von Walburga Knorr / Werner Mayer, für den Druck ergänzt von Ramona Baltolu / Christine Steininger (Die Deutschen Inschriften 110 – Münchener Reihe 21) Wiesbaden 2023, Verlag Dr. Ludwig Reichert, 278 S., 34 Tafeln, ISBN 978-3-7520-0715-2, EUR 69. – Die Freie Reichsstadt Regensburg ist für das traditionsreiche Unternehmen der Deutschen Inschriften ein Fundort von herausragender Bedeutung. Dieser haben drei Bände für die Domkirche St. Peter und die Minoritenkirche St. Salvator bereits Rechnung getragen. Der vierte Band wendet sich mit dem Kollegiatstift Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle einer geistlichen Einrichtung von nicht minderem kulturgeschichtlichen Rang zu. Hervorgegangen aus der karolingischen Pfalzkapelle König Ludwigs des Deutschen, blickt sie auf eine außergewöhnliche Tradition und Kontinuität zurück, die sich weithin im Schatten der benachbarten Domkirche und einflussreicher Reichsstifte vollzog. Sie fand ihren bis heute sichtbaren Niederschlag auch in der hochrangigen Grabkultur, die wichtigster Überlieferungsträger des epigraphischen Materials wurde. Die katholische Welt bemühte sich in der protestantischen Reichsstadt mit Vorliebe um ein Begräbnis an dieser geschichtsträchtigen Stätte. Die Barockisierung hat im 18. Jh. viele Epitaphien beseitigt. Freilich sind die Inschriften des Hauses auch über andere Medien überliefert worden. Rund ein Drittel der Zeugnisse ist nicht original erhalten, sondern nur aus Sekundärquellen bekannt. Der Inschriftenbestand erfährt hier seine erstmalige wissenschaftliche Aufarbeitung. Der Band bietet die Edition der insgesamt 277 Texte mit einer eingehenden Beschreibung der Fundstellen und einer umfassenden Kommentierung. Sie ist nach einem standardisierten Frageraster übersichtlich und zweckgerecht angelegt. Alle verfügbaren Informationen zu Form und Inhalt werden einbezogen. Die Zusammenstellung bietet eine wesentliche Erweiterung des bisher verfügbaren Quellenbestands, die wiederum eine beträchtliche Erweiterung des Wissens um dieses herausragende Gotteshaus ermöglicht. Die Inschriften der Kanonikergräber betreffen mit dem Personalstand und der Organisation des Stiftsbetriebs die inneren Verhältnisse. Dazu kommen externe Persönlichkeiten, die von außen eine Verbindung zum Haus aufzubauen vermochten. Das gilt zum einen für das Stadtpatriziat (v.a. Auer, Gumprecht, Zant), zum anderen den Adel des Umlands (Hohenfels, Pientzenauer, Püttrich), der sich als Förderer verdient machte. Inhaltlich eröffnet die Edition einen weiterführenden Beitrag zur Einbettung des Stifts in die Kulturgeschichte des überregional bedeutsamen politischen Zentrums Regensburg. Die Zusammenstellung ist sehr umfassend angelegt. Die ältesten Inschriften finden sich auf einem Tragaltar im Bayerischen Nationalmuseum und auf einer Glocke des Römerturms mit einer Zeitstellung vor 1250. Von da an läuft die Überlieferung kontinuierlich weiter bis ins frühere 17. Jh. Die Monumente der zum Gotteshaus gehörigen Gebäude einschließlich der Stiftspfarrkirche St. Kassian werden einbezogen. Die verschiedenen Trägergattungen finden Berücksichtigung. Besonders ergiebig sind die kopialen Aufzeichnungen des Ratsherrn und Kämmerers Elias Eppinger († 1625). Die Kommentierung geht sehr ins Detail und erforderte über die epigraphischen Fachkenntnisse hinaus umfassendes Spezialwissen zur Stadt- und Regionalgeschichte. Vielfältige Einzelspuren bis zu den Künstlerfamilien Mielich oder Roritzer waren zu verfolgen. Dem Editionsblock wird zur Einordnung vorausgeschickt eine Einführung zur Schrift- und Überlieferungsgeschichte der Texte. Spezialregister erschließen die Erörterungen sehr hilfreich. Ein umfänglicher Tafelteil bietet qualitativ hochwertige Illustrationen. Vier hochspezialisierte Mitarbeiter mussten ihre Kompetenz einbringen, bis das Unternehmen nach vielen Jahren zum Abschluss gebracht werden konnte. Die Ausgabe entspricht allen Anforderungen der an der Arbeitsstelle entwickelten editionswissenschaftlichen Standards. Der methodisch gelungene, formal tadellose und inhaltlich in vielfacher Hinsicht weiterführende Band unterstreicht mit Nachdruck einmal mehr die Wichtigkeit der Epigraphik für die historische Grundlagenforschung. Durch solide Quellenarbeit an einem Gegenstand von herausragender Bedeutung ist er von Aussagekraft nicht nur für die behandelte geistliche Einrichtung, sondern für vielfältige Aspekte der allgemeinen Geschichtswissenschaft. In der Reichsstadt Regensburg wird die Arbeitsstelle noch viel zu tun haben.
Alois Schmid