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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Ulrich Schwarz, Die Kanoniker von St. Blasius in Braunschweig. Weltgeistliche, das Burgstift und die welfischen Landesherren (1388–1412) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 319) Göttingen 2024, Wallstein Verlag, 624 S., 29 überw. farb. Abb., ISBN 978-3-8353-5463-0, EUR 45. – Im Mittelpunkt dieser Untersuchung zum herzoglichen Kollegiatstift St. Blasius in Braunschweig stehen die Biographien von 54 Kanonikern, deren Lebensläufe Sch. auf ca. 300 Seiten schildert. Die übrigen 309 Seiten fügen die auf zwei Abschnitte konzentrierten Kanoniker-Karrieren in den landesgeschichtlichen Rahmen ein und reichern die einzelnen Kapitel mit Tabellen und Quellentexten an; Orts- und Personenregister erschließen die Materialfülle. Dank der weitgestreuten Quellen (stiftsinterne wie -externe regionale Bestände, europaweite Universitätsmatrikel, Register der römischen Kurie) gelangt Sch. zu einer sehr kompletten Darstellung und verfolgt „seine“ Kanoniker auf ihren Wegen zu Universitäten nach Heidelberg, Erfurt und Leipzig, bis hin zur Juristenuniversität nach Prag und Bologna. Das Augenmerk des Vf. beschränkt sich nicht auf die im Titel genannten Jahre, sondern es ergibt sich ein Rückblick auf die Zeit vor dem gewählten Stichjahr 1388, in dem „die Blasianer Überlieferung eine ganz neue Qualität“ gewann, „da für die Amtszeit“ des in diesem Jahr zum Dekan gewählten „Ludolf de Melchowe … auslaufende Urkunden in ein Register kopiert wurden“ (S. 38). Bietet sich 1388 dem Vf. als „Momentaufnahme“ an, mit der die Lebensläufe von 24 Kanonikern, die diesen Zeitpunkt erreicht hatten, festgehalten werden, so ermöglicht es die Betrachtung weiterer 30 Kanoniker bis 1412 (dem Todesjahr des Ludolf de Melchowe), den Wechsel in der Kanonikerschaft zu verfolgen. Der über die göttingischen, grubenhagenschen, wolfenbüttelschen und lüneburgischen Lande herrschenden welfischen Dynastie kam das Patronatsrecht des Gesamthauses an den Braunschweiger Kanonikaten zu, so dass uns die sogenannten Präsentationsurkunden „die Kanoniker chronologisch genauer“ einordnen lassen (S. 506), bemerkenswert dabei die Kontinuität und der Zusammenhalt des welfischen Gesamthauses (S. 507). Die Kanoniker gehörten i.d.R. erkennbaren Herkunftsfamilien an, allerdings gelingen genealogische Einordnungen selten, noch weniger ist ein verwandtschaftliches Übergewicht einzelner Familien nachzuweisen: „Das Karussell der Präsentationen“ (S. 508) ergab eine Gleichzahl zwischen Kanonikern und Herkunftsfamilien. Adelige Kanoniker entstammten meist „überregional beweglichen Geschlechtern ministerialischer Abkunft“ und stellten im Stift „eher eine heterogene Gruppierung“ (S. 508) dar; waren im Jahr 1388 Adelige und Bürger zahlenmäßig noch gleichauf, überwogen 1412 die zumeist aus Braunschweig kommenden Städter. Bei der Untersuchung der Pfründner und der „Fremdpfründner“ spielt das Patronatsrecht der Herzöge eine gewichtige Rolle, doch auch „über die römische Kurie“ öffnete sich der „Weg zur Pfründe“ (S. 512). Nicht zuletzt dank seiner archivarischen Biographie und einer der Aussagekraft der Quellen vertrauenden Maxime hat uns der Vf. eine vortreffliche Verbindung von „Personengeschichte und Landesgeschichte“ (S. 9) geliefert.

Ingo Schwab