La Sicilia nei secoli VI–X. Dinamiche di poteri e culture tra Oriente e Occidente. In onore di Carmelina Urso. Atti del convegno internazionale di studio (Catania, 14–16 novembre 2019), a cura di Gabriele Archetti / Emanuele Piazza (Centro studi longobardi. Ricerche 5) Spoleto 2023, Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, 678 S., Abb., Karten, ISBN 978-88-6809-358-7, EUR 80. – Der Band widmet sich der Geschichte Siziliens in einem Zeitraum, in dessen größtem Teil die Insel Teil des byzantinischen Kaiserreichs war, aber immer wieder durch dessen politische Krisen sowie den Aufstieg neuer mediterraner Akteure berührt wurde. So gerieten weite Teile des nahegelegenen Festlands unter langobardische Herrschaft, während Sizilien selbst zwischen 827 und 902 unter muslimische Herrschaft fiel. Diese politisch sehr dynamische, aber vergleichsweise wenig erforschte Phase der insularen Geschichte wird nun in fünf thematisch geordneten Sektionen untersucht. Deren erste (S. 27–126) versammelt Beiträge zum Bild der Insel in der ma. Geschichtsschreibung, im Spiegel der urkundlichen Überlieferung sowie in den modernen Geisteswissenschaften. Die zweite Sektion (S. 127–259) thematisiert Aspekte der politischen und territorialen Raumaufteilung, so etwa zu demographischen Strukturen und Siedlungsmustern sowie zur päpstlichen Einflussnahme auf die insularen Verhältnisse. Die dritte Sektion (S. 261–426) widmet sich kirchlichen Organisationsstrukturen, einem weiteren Konkurrenzfeld Roms und Konstantinopels (vgl. Andrea Tilatti, S. 263–284). Auch individuelle Akteure kommen nun in den Blick, insbesondere Bischöfe und Mönche, aber auch Heilige (Francesco Paolo Tocco, S. 305–315). Die vierte Sektion (S. 427–558) behandelt wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen, wobei Landwirtschaft und Viehzucht, die materielle Kultur städtischer und ländlicher Siedlungsräume sowie Routen und Akteure des Handelsverkehrs im Mittelpunkt stehen. Die fünfte und letzte Sektion (S. 559–647) konzentriert sich schließlich auf sprachliche und kulturelle Aspekte. Die Beiträge fragen nach dem Stellenwert von Schriftkultur generell, nach dem Stand von Wissenschaft und Medizin sowie den teils aus der Antike ererbten Charakteristika sizilischer Folklore im Besonderen. Abgerundet wird der Band schließlich durch eine Zusammenfassung von Gabriele Archetti (S. 649–673), der zentrale Charakteristika der insularen Geschichte hervorhebt: Von den politischen Umwälzungen auf dem nahen Festland häufig indirekt betroffen, bildete die Insel die westlichste Peripherie des byzantinischen Kaiserreichs, blieb aber aufgrund ihres wirtschaftlichen Potenzials von zentraler Bedeutung für Konstantinopel. Auch unter muslimischer Herrschaft änderte sich an dieser Rolle nur wenig; Sizilien wurde nun eine wichtige Peripherie Nordafrikas. Der Wechsel unter islamische Herrschaft sollte daher – so das Plädoyer – nicht vorbehaltlos als trennscharfe Zeitenwende begriffen werden. Erst die Normannen hätten die Insel zu einem politischen Zentrum gemacht, sie allerdings von der byzantinischen und islamischen Sphäre entkoppelt und damit paradoxerweise den Grundstein für Siziliens zunehmende Marginalisierung innerhalb der mediterranen Welt gelegt. Diese in ihrer notwendigen Verallgemeinerung durchaus diskutablen, aber dennoch bemerkenswerten Erkenntnisse resultieren aus den interdisziplinären Forschungsergebnissen aller 31 Beiträge, deren archäologische, geschichts-, literatur- sowie kunstwissenschaftliche Zugriffe auf die Bandbreite erhaltener Quellen die Forschungsdiskussion zu zahlreichen Fragestellungen voranbringen. Der Blick wird dabei nicht nur auf die Insel, sondern immer wieder auch auf das nahe Festland gerichtet, um im Vergleich dazu die Charakteristika der insularen Verhältnisse herauszuarbeiten. Nicht zuletzt auch durch die große Anzahl hochwertiger Abbildungen und Karten bietet sich den Lesern somit ein eindrucksvolles Bild der frühma. Geschichte Siziliens.
Eric Böhme