Jörg W. Busch, Das Nichtniedergeschriebene und der apostolische Schlüsseldienst. Zwei Studien zu den römischen Oberhirten im Frühmittelalter. Mit einem Anhang: Breisgauer Denk- und Merkwürdigkeiten, Wiesbaden 2023, Selbstverlag, V u. 179 S., 4 Abb., ISBN 978-3-00-76916-0. – Der Band vereint zwei Beiträge des Vf. zum frühma. Papsttum mit einem kleinen regionalgeschichtlichen Teil. Das Nichtniedergeschriebene und der „Dynastiewechsel 751“: Responsum in verbo oder per scripta? (S. 1–70) nähert sich aus neuer Perspektive dem aufgrund der Quellenarmut vieldiskutierten Geschehen um die Königserhebung Pippins des Kurzen. Ausgehend von der These, dass die eigentliche Nachricht nicht im Text des Briefs, sondern im Kopf des Boten zu finden gewesen sei, spekuliert B. darüber, was in der Kommunikation Pippins mit dem Papst ungesagt blieb, aber doch als historisch angenommen werden müsse. Ihm zufolge liegt dem Geschehen von 751 ein gezielter (und später verschleierter) Plan Pippins zugrunde, in dem die Zustimmung des Apostolischen Stuhls durch möglichst geheime Absprachen zu sichern war. – Der apostolische Schlüsseldienst vor „1076“. Beobachtungen zu der Verwendung von Mt. 16.18f. und Mt. 18.18 im Frühmittelalter (S. 71–149) fragt nach dem argumentativen Einsatz der später für die päpstliche Legitimation grundlegenden Bibelverse im Früh-MA. Mithilfe von digitalen Stichwortsuchen durchleuchtet der Vf. zu diesem Zweck die einschlägigen Editionen für die Pontifikate ab Hadrian I. (772–795). Explizite Anspielungen und Zitate erweisen sich dabei als überraschend selten, während der vage, in Westeuropa aber offenbar verständliche Verweis auf die apostolische Autorität ab der Mitte des 9. Jh. immer präsenter wird. Auch wird überraschenderweise nicht regelmäßig darauf zurückgegriffen, um in Zeiten der Bedrohung die eigene Würde zu unterstreichen. Wenn in den gedruckten Quellen mit Johannes VIII. (872–882) und Gregor VII. (1073–1085) allerdings gerade die beiden frühma. Päpste, deren Register mindestens teilweise erhalten sind, als diejenigen erscheinen, die sich der Bibelverse vorzugsweise und explizit bedient hätten, sollte das zu denken geben. Eine Übersicht (S. 149) verdeutlicht die Disparität im Quellenmaterial, mit der sich weitere Forschungen zu befassen hätten. – Nicht zu Unrecht trägt schließlich der regionalgeschichtliche Anhang, Das Elend [sic] lange Sterben am Fluß. Der vergebliche Kampf der Stadt Neuenburg gegen den Rhein 1496–1525/27 (S. 153–177), den Untertitel „Zugleich Endabrechnung“. Die Darstellung des sukzessiven Versinkens der auf allzu losem Boden gebauten Kleinstadt gerät in den Hintergrund, wo der Vf. vor allem persönliche Angelegenheiten verhandelt. Jahrzehntelange Forschungen zur Stadtgeschichte endeten offenbar im Bruch mit verschiedenen lokalen Institutionen, die mit Seitenhieben bedacht werden. Der Leser schwankt zwischen Mitleid, Amüsement und Gruseln, ohne sich ein genaues Bild machen zu können. Nutzen kann der Beitrag nicht zuletzt als Aufbereitung der bisherigen Forschungen des Vf. zu Neuenburg. Eine reine Polemik ist der Nachtrag, Das „Neuenburger Urkundenbuch“. Eine kleine Geschichte aus der großen Provinz (S. 177–179). Vier Abbildungen in leider schlechter Druckqualität beschließen einen eigentümlichen Band, der für die frühma. Papstgeschichte trotz des hitzigen Nebenschauplatzes interessante Impulse bietet.
Stephan Pongratz