DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Theresa Jäckh, Raumgeschichte einer Hauptstadt. Palermo unter muslimischer und christlicher Herrschaft (ca. 800–1200) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 144) Berlin 2023, De Gruyter, XII u. 365 S., Abb., ISBN 978-3-11-072002-0, EUR 99,95. – Das interessante und wichtige Buch erörtert die Veränderungen der städtischen Topographie von Palermo von der islamischen Eroberung um 831 bis zur Minderjährigkeit Friedrichs II. Es ist zum Teil eine Studie zur historischen Geographie, zum Teil zur Sozialgeschichte und in beiden Punkten sehr aufschlussreich. Die Vf. diskutiert die Expansion der – bis dahin relativ kleinen – Stadt unter muslimischer Herrschaft, einen Prozess, der die Schaffung neuer Stadtviertel, die Bereitstellung städtischer Märkte und die Entwicklung des Hafens zu einem wichtigen Austauschzentrum im Mittelmeerhandel mit sich brachte, insbesondere die Entwicklung des Viertels al-Ḥāliṣa außerhalb der alten Stadtmauern zum Verwaltungszentrum der regionalen Hauptstadt, größtenteils im 10. Jh. Neben diesen Veränderungen gab es auch Kontinuität, insbesondere die Umwandlung einer christlichen Kirche in die Hauptmoschee der Stadt – und nach der normannischen Eroberung im Jahr 1072 ihre Rückführung zum christlichen Kult, um sie zur Kathedrale der Stadt zu machen. Darüber hinaus gab es in der islamischen Zeit eine Vielzahl anderer Moscheen; Ibn Hawqal schrieb im späten 10. Jh. von etwa 300 in der Stadt, aber die meisten davon waren kleine, private Moscheen – dies war eines von vielen Merkmalen des sizilianischen Lebens, mit denen Ibn Hawqal nicht einverstanden war. Nach der normannischen Eroberung wurde im Viertel Halqa, der ursprünglichen „Altstadt“, eine Zitadelle und in der Nähe des Hafens eine weitere Burg errichtet, aber ansonsten hielten sich die Veränderungen wahrscheinlich ziemlich in Grenzen, bis Roger II. nach Erreichen der Volljährigkeit 1112 seine Verwaltungshauptstadt von Messina nach Palermo verlegte. Die Halqa wurde damals zum Palastviertel – und nach 1130 zum Regierungszentrum des neuen Königreichs Sizilien –, während das Viertel al-Ḥāliṣa, das alte Regierungsviertel, zu einem Wohn- und Geschäftsviertel, insbesondere für Griechen, wurde. Die Altstadt innerhalb der ursprünglichen Mauern entwickelte sich zunehmend zu einem Wohnviertel der Elite. Ein neuer äußerer Mauerring wurde vor ca. 1150 fertiggestellt. Die Stadt wurde zunehmend christianisiert, und Kaufleute vom Festland siedelten sich dort an – 1144 die Venezianer, die in diesem Jahr eine Kirche für ihre Landsleute gründeten, und in der zweiten Hälfte des 12. Jh. hatten die Amalfitaner ein eigenes Viertel in der Nähe des Hafens. Nach einem Pogrom im Jahr 1161 zogen sich die verbliebenen muslimischen Einwohner in das Viertel Seracaldi im Norden jenseits des Flusses Papireto zurück. Eine kurze Rezension kann dem Reichtum und der Komplexität dieses Buchs nicht gerecht werden: Der Leser wird wertvolle Einblicke in zahlreiche Themen finden. So gibt es beispielsweise eine sehr überzeugende Rekonstruktion der Belagerung und Eroberung der Stadt in den Jahren 1071/72. Durchweg zeigt J., dass sie mit den schriftlichen Quellen vertraut ist, auf denen ihre Arbeit größtenteils basiert. Besonders hervorzuheben ist die Verwendung arabischer Werke zur Geographie; arabische Etymologien werden immer wieder ausführlich diskutiert, insbesondere in Bezug auf die Viertel und Tore der Stadt. J. nutzt auch die Arbeiten frühneuzeitlicher Gelehrter und frühe Stadtpläne und greift, wo es sinnvoll ist, auf Ergebnisse der Archäologie zurück, wenn solche verfügbar sind. Das Buch wird jedenfalls bahnbrechend sein für alle, die sich mit Sizilien im Früh- und Hoch-MA und mit der ma. Stadtgeschichte Italiens befassen, und es steht zu hoffen, dass bald eine italienische Übersetzung erscheint, damit es einem breiteren Publikum zugänglich wird.

Graham A. Loud