Southern Italy as Contact Area and Border Region during the Early Middle Ages. Religious-Cultural Heterogeneity and Competing Powers in Local, Transregional and Universal Dimensions, ed. by Kordula Wolf / Klaus Herbers (Beihefte zum AKG 80) Köln u. a. 2018, Böhlau, 433 S., farb. Abb., Karten, ISBN 978-3-412-50926-2, EUR 65. – Die globalgeschichtlich interessierte Mediävistik des 21. Jh. widmet der Diversität des Mittelmeerraums große Forschungsenergie. Süditalien ist dabei ein privilegiertes Feld. Eine reiche Zusammenschau entsprechender Studien präsentieren die Akten einer internationalen Tagung in Rom, die das dortige DHI 2016 zusammen mit dem Erlanger Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte organisierte. Die einleitend von Kordula Wolf / Klaus Herbers (S. 9–37) formulierte Zielsetzung, „through a pluri-disciplinary and multidimensional perspective … a selection of recent research issues related to early medieval southern Italy and its … Mediterranean context“ zu präsentieren und dabei „partly ... paradigms and categories“ zu hinterfragen (S. 16), wird ansprechend erfüllt. Ein wiederkehrendes Thema ist die Konstruktion und Analyse sozialer Räume. 17 Beiträge behandeln vor allem lateinchristliche, byzantinische und muslimische, aber auch jüdische und archäologische Perspektiven. Drei übergeordnete Beiträge widmen sich räumlichen Gliederungen der muslimischen Welt bzw. des Mittelmeerraums mit Süditalienbezug. Lutz Berger (S. 41–50) erprobt eine Übertragung der Wallersteinschen Weltsystemtheorie auf die vormoderne muslimische Sphäre, Hugh Kennedy (S. 51–64) betrachtet die Wahrnehmung der Grenzen ebendieser Sphäre durch Muslime; doch sprechen sie Italien allenfalls kurz als Peripherie an. Hingegen gelingt Federico Marazzi (S. 241–272) eine kluge Verknüpfung des Wandels globaler Einflusszonen im Mittelmeerraum vom 7. zum 9. Jh. mit lokalen Entwicklungen insbesondere der Ökonomie von Klöstern und Seehandelsstädten in Kampanien und Umgebung. Eine Reihe weiterer Beiträge aus byzantinischer und muslimischer Perspektive präsentiert sich forschungsstark: Vera von Falkenhausen (S. 185–228) zeigt systematisch und quellenreich Nahbeziehungen und Austausch zwischen dem byzantinischen Süditalien und dem Reichszentrum in Konstantinopel auf. Lucia Arcifa (S. 125–148) gewinnt aus einer Zusammenschau archäologischer Daten ganz Siziliens insbesondere des 8.–9. Jh. interessante Erkenntnisse zu übergeordneten Siedlungsdynamiken, zu militärischen Einflusszonen und der Herausbildung eines byzantinisch-muslimischen Grenzraums. Vivien Prigent (S. 79–100) nimmt eine aufschlussreiche vergleichende Analyse der ökonomischen, sozialen, militärischen und religiösen Ursachen des byzantinischen Verlusts Siziliens vor. Marco Di Branco (S. 149–164) bietet zur wichtigsten muslimischen Herrschaftsbildung in Festlandsitalien im 9. Jh., dem Emirat von Bari, weiterführende Datierungen und Einsichten zu ‘außenpolitischen’ Beziehungen und Ambitionen. Annick Peters-Custot (S. 229–240) untersucht Zugehörigkeitsgefühle italogriechischer v.a. geistlicher Eliten und gelangt dabei zu einer anregenden Deutung der Renovatio Ottos III. inklusive dessen Verhältnisses zu italogriechischen Mönchen. Die anteilsmäßig meisten Beiträge verfolgen eine lateinchristliche Perspektive: Clemens Gantner (S. 295–314) widmet sich auf aktuellem Forschungsstand dem Verhältnis des für Unteritalien entscheidenden Karolingers Ludwig II. zu Byzanz. Hochinteressant ist Giulia Zornettas (S. 315–340) Analyse der Herrschaftsrepräsentation der Herzöge von Spoleto in Auseinandersetzung mit langobardischen, karolingischen und byzantinischen royalen Gepflogenheiten. Klaus Herbers (S. 385–401) stellt fest, dass „die Situation Italiens im 9. Jahrhundert durchaus prägender“ für die Entwicklung von Kreuzzugsdenken war, „als viele heutige Studien … erkennen lassen“ (S. 401). Traditioneller präsentieren sich die folgenden Abhandlungen: Claudia Alraum (S. 273–292) behandelt päpstliche Kontakte nach Süditalien aus Regestenperspektive und bestätigt damit bisherige Ansichten. Veronika Unger (S. 363–384) demonstriert, dass Johannes’ VIII. Kontakte nach Süditalien vor allem Kampanien und die Unterbindung dortiger Bündnisse mit Muslimen betrafen. Judith Werner (S. 341–361) zeigt, dass Empfänger auch in Süditalien von Mitte des 10. bis Mitte des 11. Jh. Arengen, Sanctiones und äußere Formen von Papsturkunden beeinflussten. Drei weitere Beiträge bieten handbuchartige Überblicke: Rudolf Schieffer (S. 65–78) zur karolingischen Süditalienpolitik, Angela Scandaliato (S. 101–122) zu zahlreichen Aspekten jüdischen Lebens in der byzantinischen und muslimischen Periode Siziliens, Jean-Marie Martin (S. 165–182) zur Entwicklung des byzantinischen und langobardischen Umgangs mit muslimischen Kräften Süditaliens im 9. Jh. Insgesamt bietet der Band ein reichhaltiges und in weiten Teilen sehr innovatives Panorama aktueller Süditalienforschungen.
Richard Engl
(Rezensiert von: Richard Engl)