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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Die ‘Episkopalisierung der Kirche’ im europäischen Vergleich. The ‘Episcopalization of the Church’ in European Comparison, hg. von Andreas Bihrer / Hedwig Röckelein (Studien zur Germania Sacra. N. F. 13) Berlin / Boston 2022, De Gruyter, XII u. 517 S., Abb., ISBN 978-3-11-077665-2, EUR 149,95. – Der Band bündelt die Ergebnisse einer im Jahr 2020 in Göttingen ausgerichteten Tagung und setzt ein im Jahr 2016 in Kiel begonnenes Projekt fort (vgl. DA 78, 368–370). Standen bisher vor allem die Beziehungen der Bischöfe zum Herrscher im Zentrum der Forschung, wird der Fokus jetzt auf die Diözese als Handlungsraum des Bischofs gelegt. Ziel des Bandes ist es, die zum ostfränkisch-deutschen Reich der Ottonen- und Salierzeit erhobenen Erkenntnisse in einen europäischen Rahmen und breiteren zeitlichen Kontext einzuordnen, wozu zehn Analysekriterien formuliert werden, etwa personelle Netzwerke, das Zusammenspiel zwischen dem Bischof und dem Klerus seiner Stadt oder die Funktion der Liturgie (Andreas Bihrer, S. 1–20). Insgesamt umfasst der Band neben dieser Einführung 14 weitere Beiträge in deutscher und englischer Sprache und schließt mit einer Zusammenfassung, einem kulinarischen Exkurs (Hedwig Röckelein, S. 465–476 u. S. 477f.) sowie einem umfangreichen Personen- und Ortsregister. Inhaltlich wird er, unterteilt in die vier Abschnitte „Der Raum der Diözese“, „Akteure und ihre Netzwerke“, „Bildungs- und Wissensräume“ sowie „Reformen“, seinem Anspruch einer europäischen Ausrichtung zwischen dem 7. und 12. Jh. gerecht. Im Fokus steht weiterhin auch das Fränkische Reich mit Beiträgen zur Frühzeit des Bistums Halberstadt (Christian Popp / Joachim Stephan, S. 23–59), zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Modell der „Eigenkirche“ (Steffen Patzold, S. 225–248) sowie zur Rolle des Chorepiskopats (Geneviève Bührer-Thierry, S. 249–264). Die übrigen Ausarbeitungen widmen sich der europäischen Perspektive, von Kastilien (Daniel Berger, S. 61–93), Lotharingien und Frankreich (Steven Vanderputten, S. 407–425), Irland (Immo Warntjes, S. 165–222), England (Julia Barrow, S. 265–283, und Stephan Bruhn, S. 427–462) und Dänemark (Mia Münster-Swendsen, S. 301–325) über Italien (Gerald Schwedler, S. 95–120), Polen (Paweł Figurski, S. 361–404) und Byzanz (Johannes Pahlitzsch, S. 285–300) bis zu den griechisch-orthodoxen (melkitischen) Patriarchaten des Nahen Ostens (Klaus-Peter Todt, S. 121–163). Hinzu tritt in größerer Perspektive eine Studie zu bischöflichen Bibliotheken im westlichen Europa (Laura Pani, S. 329–360). Insgesamt offenbart der Band ein äußerst vielschichtiges, wenngleich in Konsequenz daraus auch sehr fragmentarisches Panorama von ganz unterschiedlichen europäischen Regionen und den dort zu beobachtenden Prozessen, die unter dem Begriff der Episkopalisierung subsumiert werden und vor allem eine grundlegende Beobachtung zulassen: In Bezug auf Diözese und Bischofsamt lässt sich keine Homogenität beobachten, sondern eine große Vielfalt, die von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, nicht entscheidend jedoch von der geographischen Lage des Bistums. Während somit die in zahlreichen Beiträgen aufgegriffene Annahme von Timothy Reuter (vgl. DA 57, 766), es habe im Früh- und Hoch-MA „gesamteuropäische Vorstellungen vom Modell des Bischofs“ (S. 472) gegeben, kritisch hinterfragt und schlussendlich zurückgewiesen wird, bietet der Band für die notwendige weitere Beschäftigung mit Bischöfen und ihren Diözesen auf europäischer Ebene wichtige Vorarbeiten.

Matthias Weber

(Rezensiert von: Matthias Weber)