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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Hannes Engl, Rekonfigurationen regionaler Ordnungen. Die religiösen Gemeinschaften in Lothringen und das Papsttum (ca. 930–1130) (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des MA 49) Wien / Köln 2023, Böhlau, 345 S., 4 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-52821-8, EUR 55. – In einem festen, durch die kirchliche Organisation vorgegebenen geographischen Rahmen, den lothringischen Diözesen Metz, Toul und Verdun, und für einen auf diesen Raum zugeschnittenen Zeitraum geht E. in der Publikation seiner Luxemburger Diss. (2020) den Leitfragen nach, in welchen Formen und Funktionen „Papstkontakte“ (S. 12 und passim) religiöser Gemeinschaften stattfanden und in der Folge, ob und inwieweit diese zur Festigung und Ausbreitung päpstlicher Autorität beitrugen. Letztere beantwortet er ebenso überzeugend wie vielfältig mit einem klaren „Ja“, wobei die Spanne vom ausgehenden 11. bis zum frühen 12. Jh. als entscheidende Phase hervortritt, von E. hauptsächlich begründet mit den Forderungen und Folgen der sogenannten ‘gregorianischen Reform’. Für E.s souveränen Umgang mit den Quellen, deren tiefgehende historisch-kritische Analyse in jeweils angemessener Anwendung der Instrumentarien (beispielsweise auch derjenigen der Kodikologie und der Paläographie), ihre schlüssige Interpretation und schließlich ihre ausgewogene und überzeugende Beurteilung und Wertung mögen hier zwei Beispiele genügen: zum einen „das von der Forschung bislang weitgehend unberücksichtigte Privileg“ (S. 62) Papst Leos IX. für das Kloster Bleurville in der Diözese Toul (1050 XII 6), dessen rechtliche Besonderheiten E. minutiös herausarbeitet, gewichtet und kontextualisiert (S. 62–76), wobei auch äußere Merkmale der Urkunde (z. B. Rasur) zum Tragen kommen. Zum zweiten das wohl um 1207 und, wie E. überzeugend darlegt, im Kontext des Konflikts mit Bischof Matthias entstandene Chartular B des Touler Domkapitels, das über den Untersuchungszeitraum hinausreicht und in Form eines Exkurses behandelt wird (S. 241–267); die Reichweite und die langfristige Wirksamkeit päpstlicher Entscheidungen, insbesondere für die Sicherung und den Ausbau geistlicher Grundherrschaft, sind in diesem Fundus eindrucksvoll dokumentiert, was von den Touler Klerikern sicherlich – unter den 30 für das Chartular ausgewählten Stücken finden sich 20 Papsturkunden – auch so intendiert war. Es bleibt zu wünschen, dass die Arbeit Ansporn geben mag, die Entwicklung und Entfaltung päpstlicher Autorität auf dem Weg über den Kontakt mit religiösen Gemeinschaften im Vergleich mit dieser „Übergangszone“ (S. 9; leider unglückliche Wortwahl!) für andere Räume zu untersuchen, idealerweise mit erweitertem zeitlichen Horizont, um die Implementierung neuer religiöser Gemeinschaften (Zisterzienser, Prämonstratenser etc.) einbeziehen zu können – für Lothringen hat E. selbst derartiges in Aussicht gestellt, man darf schon jetzt auf den weiteren Erkenntnisgewinn gespannt sein.

Thomas Bauer