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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Sara Lipton, Ut artifex: art, artifice, and instruction in high medieval sermons, Haskins Society Journal 33 (2021) S. 163–183, fragt sich, warum ma. Predigtsammlungen so wenig Aussagen zur Kunst machen, obwohl die Prediger bei ihrer Tätigkeit doch geradezu von Kunst umringt waren – in den Kirchenbauten. Sie verweist darauf, dass die meisten erhaltenen Predigten Musterpredigten sind; Referenzen auf konkrete Kunstwerke könnten also entweder getilgt oder gar nicht erst aufgenommen worden sein – Hinweise auf ein bestimmtes Kunstwerk dürften vielfach aus dem Augenblick heraus entstanden sein. Dennoch findet sie eine Reihe faszinierender Beispiele von Predigten, die auf spezifische Kunstwerke Bezug nehmen, beginnend mit einer Predigt, die im späten 12. Jh. im Augustinerstift St. Victor in Paris gehalten wurde. In einer detaillierten Auseinandersetzung mit diesen Texten erarbeitet L. verschiedene Zugänge der Prediger zur Kunst: Oft ging es ihnen darum, die Künstlichkeit eines Kunstwerks hervorzuheben, um einem unkritischen Glauben an das Dargestellte zuvorzukommen. Sie gingen dabei häufig sehr raffiniert vor: Statt schlicht gegen möglichen Götzendienst zu wettern, wandten sie sich gegen vielerlei theologische Fallstricke, die aus einer allzu buchstäblichen Lesart der Kunstwerke herrühren konnten. Wie die Heilige Schrift hatte die Kunst eine didaktische Rolle; aber wie bei der Schrift war auch bei der Kunst der Prediger notwendig, um die Uneingeweihten vor Irrwegen zu bewahren.

Thomas J. H. McCarthy (Übers. V. L.)

(Rezensiert von: T. J. H. McCarthy)