Michael J. P. Robson, Thomas of Eccleston’s De Adventu Fratrum Minorum in Angliam. „The Arrival of the Franciscans in England“ 1224–c. 1257/8. Commentary and Analysis (Studies in the History of Medieval Religion 55) Woodbridge 2023, Boydell Press, 319 S., ISBN 978-1-83765-062-0, GBP 90. – Bei dieser Publikation des wohl besten Kenners der englischen Franziskaner im MA handelt es sich nicht um eine detaillierte Analyse des dem Text zugrunde liegenden Hss.-Materials, sondern um eine reichhaltige Kontextualisierung dieser wichtigen Quelle zur Frühgeschichte der englischen Franziskanerprovinz. R. kann dabei auf Quellenkenntnisse und einen Erfahrungsschatz zurückgreifen, die in mehr als fünf Jahrzehnten intensiver Auseinandersetzung mit der Frühgeschichte des Ordens zusammengetragen wurden und bereits Grundlage für zahlreiche einschlägige Veröffentlichungen waren, die ihm in der Nachfolge von Andrew George Little und John Moorman einen festen Platz in diesem Bereich der Forschung sichern. Die einleitend vorangestellte chronologische Tabelle deutet in ihrer inhaltlichen Breite bereits an, dass R. mehr beabsichtigt als eine bloße Präsentation der Ordensprovinz Anglia. Er gliedert das Buch in 15 Kapitel, die jeweils einem Abschnitt von Ecclestons Text entsprechen, aber aus vielen zusätzlichen zeitgenössischen Quellen schöpfen. Wenn dieses gelegentlich eklektische Vorgehen auch zu Wiederholungen und Gedankensprüngen führt, so werden doch auf diese Weise der Stil Ecclestons und die Struktur seines Textes nachempfunden. R., der darauf hinweist, dass sich der franziskanische Chronist vielleicht an etwas älteren zisterziensischen Gründungserzählungen orientiert hat, versucht Lücken in seiner Hauptquelle zu füllen, denn auch wenn Thomas von Eccleston oft sehr detailliert erzählt, bleiben doch Lücken, die auf bewusste Auslassungen oder auch auf Mangel an Informationen hindeuten. Dabei werden wichtige Fragestellungen entwickelt, die etwa die tägliche Routine der ersten Minoritengeneration in England betreffen oder die Existenz und Entwicklung von mittel- oder langfristigen Plänen beim Aufbau der Provinz. Unbekannt sind auch die Gründe für die Abwesenheit der Franziskaner und anderer Vertreter der Bettelorden in Bischofsstädten wie Bath, Durham, Ely oder Rochester oder die deutlichen Unterschiede in der Auseinandersetzung des Chronisten mit den drei Provinzialministern Agnellus von Pisa, Albert von Pisa und Haymo von Faversham, die durch die Länge der ihnen gewidmeten Textpassagen zum Ausdruck kommt und die vielleicht auf seine Ablehnung mancher Neuerungen hindeuten könnten. Diese Fragen sind ohne Zweifel richtungsweisend für die Forschung, auch wenn es nicht leicht sein wird, sie schlüssig und vollständig zu beantworten. Immerhin kann R. in seiner sorgfältigen Darstellung der Amtszeiten der ersten drei Provinzialminister zeigen, dass die Amtsinhaber durchaus unterschiedliche Prinzipien verfolgten, etwa bei der Gestaltung der Bauten oder in der Frage der Bekleidung der Fratres. In der Frage der Verteidigung ursprünglicher Ordensideale sah sich die regionale Ordensleitung allerdings auch externen Faktoren ausgesetzt, etwa dem großen Zulauf von Novizen, die ein Verbleiben in den einfachen Wohnhäusern, aus denen die ersten Konvente der Fratres bestanden, unmöglich machten. Der Bau von traditionellen Klosteranlagen änderte die Lebensweise der Brüder und den Charakter der Ordensprovinz grundlegend. Neben logistischen Fragen – etwa nach den kirchlichen und weltlichen Unterstützern der Minoriten – wird auch auf die Bedeutung der englischen Ordensbrüder im 13. Jh. eingegangen, die durch ein früh entwickeltes Schulsystem – im Zentrum steht hier Oxford – und die Rekrutierung bedeutender Gelehrter, unter ihnen Alexander von Hales, auch außerhalb der englischen Ordensprovinz wichtige Aufgaben übernahmen, so als Lehrer, in päpstlichen Diensten oder als Ordensobere, die in der Rolle des Haymo von Faversham als Generalminister gipfelten. Auf diese Weise spielten englische Franziskaner eine große Rolle bei der Entwicklung ihres Ordens und nicht nur bei seiner Expansion in die nichtenglischen Gebiete der Britischen Inseln. R. betont die Bedeutung des Textes innerhalb der frühen franziskanischen Geschichtsschreibung und weist auf seine Nähe zur Exemplaliterur hin, die sich auch in seiner eigenwilligen Struktur ausdrückt.
Jens Röhrkasten
(Rezensiert von: Jens Röhrkasten)