Bishops and Jews in the Medieval Latin West. Bischöfe und Juden im lateinischen Mittelalter, ed. by / hg. v. Christoph Cluse / Alfred Haverkamp (†) / Jörg R. Müller (Forschungen zur Geschichte der Juden A 29) Wiesbaden 2023, Harrassowitz Verlag, 459 S., ISBN 978-3-447-11770-8, EUR 78. – Die Publikation widmet sich Bischöfen unterschiedlicher Regionen und ihrem Verhältnis zu oder ihrer konkreten Politik gegenüber Juden. Christoph Cluse / Jörg R. Müller (S. 1–36) erläutern in ihrer Einführung die besondere Stellung des Bischofs, der als Einzelperson „die Kirche“ als Institution vertrat. Oft waren Bischöfe Herrscher eines Gebiets, womit ihnen die Verwaltung und politische Führung oblag. Als zumeist Angehörige des Adels waren Bischöfe zwar lokal vernetzt, aber gleichzeitig abhängig von der Ernennung durch den Papst. Lukas Clemens (S. 37–52) legt in einem Aufsatz zu Süditalien vom 11. bis zum 13. Jh. dar, wie die normannischen Herrscher zunehmend wichtige Rechte an kirchliche Institutionen übergaben, darunter Einkünfte der Juden und der von ihnen betriebenen Textilwirtschaft. Lucy K. Pick (S. 53–68) beschäftigt sich mit den Verhältnissen auf der Iberischen Halbinsel im 10.–13. Jh., die von einem starken Königtum geprägt waren. An den Bischöfen von Toledo wird aufgezeigt, wie sie einerseits Juden und Muslimen ihren Platz in der christlichen Gesellschaft zuzuweisen suchten, andererseits Juden in der Verwaltung einsetzten oder ihr wirtschaftliches Potenzial nutzten. Gerd Mentgen (S. 69–108) widmet sich dem Beispiel England, indem er auf verschiedene dort entstandene geistliche Disputationsschriften eingeht, aber auch auf das Ringen zwischen König und Kirche um den Vorrang politischer und rechtlicher Entscheidungen bezüglich der Juden. Jörg R. Müller (S. 109–230) zeigt die unterschiedlichen Entwicklungen in den Städten und zugleich in den Erzbistümern Köln und Trier auf. Neben den jüdischen Gemeinden in Köln und Trier selbst werden weitere jüdische Siedlungen im Herrschaftsgebiet des Trierer Erzbischofs in den Blick genommen, insbesondere in Koblenz. Juliette Sibon (S. 231–252) widmet sich ganz der Stadt Marseille im 13. und 14. Jh., wo eine jüdische Gemeinde den Vicomtes von Marseille und eine zweite Gemeinde dem Erzbischof unterstand. Beide Gemeinden traten aber auch gemeinsam auf, um ihre Interessen zu vertreten. Birgit Wiedl (S. 253–306) definiert das Verhältnis zwischen den Salzburger Erzbischöfen und den Juden. Dies geschieht mittels einer Analyse der Privilegien für jüdische Familien und über die Nachrichten zu wirtschaftlicher Tätigkeit und Migrationswegen von Juden. Wichtige Einschnitte waren die Verfolgungen 1349 und 1404. Ewa Wółkiewicz (S. 307–326) widmet sich den Breslauer Bischöfen im 13.–15. Jh., die aber in Breslau selbst keine Herrschaftsrechte über Juden hatten, weshalb sich die Vf. auf die Verhältnisse in Neiße, der größten Stadt in ihrem Herrschaftsgebiet, konzentriert. Die dargestellten Quellen zu Privilegien und Kreditvergaben werden ergänzt um Belege aus weiteren schlesischen Städten. Christoph Cluse (S. 327–428) geht ausführlich auf die Rolle der geistlichen Gerichte im Spät-MA ein. Ausgehend von einer Kampagne gegen „jüdischen Wucher“ in den 1460er Jahren erfolgt zunächst ein Überblick zu kirchlichen Forderungen nach der Jurisdiktion über Juden. Weiter werden zahlreiche Fälle dargestellt, in denen Juden vor lokale geistliche Gerichte geladen wurden oder ihrerseits Klage einlegten. Die Publikation verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Untersuchungsthemas und zeigt, wie manche Bischöfe ganz besonderen Umständen unterworfen waren. Andererseits wiederholen sich mehrfach bestimmte Ereignisse oder Aspekte, wie die Beschlüsse des IV. Laterankonzils oder ganz generell der Widerstreit zwischen weltlicher und geistlicher Macht. Nicht selten stehen einzelne jüdische Familien im Fokus, die auch im Index gezielt gesucht werden können.
Maike Lämmerhirt
(Rezensiert von: Maike Lämmerhirt)