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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Claire Bolton, The Incunable Collection in Memmingen Stadtarchiv. History, introduction and catalogue, Memmingen 2023, Stadtarchiv Memmingen, 175 S., 30 Abb., ohne ISBN, EUR 20. – Das Stadtarchiv Memmingen konnte die Oxforder Inkunabelforscherin B. dafür gewinnen, einen Katalog seines Bestands zu erarbeiten. Dieser setzt sich zusammen aus dem Bestand der ehemaligen Reichsstadt, der Bibliothek der Seyfried-Stiftung, einigen Exemplaren, die sich im Memminger Stadtarchiv befanden, und zwei Drucken, die in der Lateinschule waren. Neben den vollständigen Drucken konnten auch die Einzelblätter berücksichtigt werden, die sich in Einbänden der genannten Bestände befinden. Dadurch ergaben sich 603 Drucke, von denen 13 Exemplare doppelt vorhanden sind. Die Bearb. hat allen Drucken eigene Nummern (Mem-inc.) gegeben, die teilweise an Namen der Autoren und teilweise an Sachtitel anknüpfen. Da trotz der neuen Bezeichnungen die Signaturen von 1867/68 beibehalten wurden, wurde mit ihrer Vergabe die Gefahr einer Verwirrung geschaffen. Frühere Bibliothekare hatten 1643 und 1867/68 bereits Verzeichnisse der von ihnen betreuten Inkunabeln gefertigt, anhand derer festgestellt werden konnte, dass 15 Drucke nicht mehr auffindbar waren, sieben von ihnen in zwei Sammelbänden. Leider sind unter den Verlusten verschiedene Werke des Memminger Druckers Albrecht Kunne. Ihrem Forschungsinteresse folgend gibt B. gute Informationen zu den Buchbindern, bei denen sie eine enge Zusammenarbeit zwischen den für Memmingen und den für das nahe gelegene Kloster Ottobeuren tätigen belegen kann. Der auf der Basis des ISTC erarbeitete Katalog ist geeignet, den Reichtum des Bestands deutlich zu machen, auch wenn der Ulmer Drucker Johann Reger zu John Reger wurde. Da der ISTC zugrundegelegt ist, erscheinen weitere Nachweise von Inkunabelsammlungen, abgesehen vom GW, als entbehrlich. Appendix 1 nennt Personen und Orte, die sich in Einträgen zur Provenienz finden. Leider sind die Erläuterungen von unterschiedlichem Informationsgehalt. In Appendix 2 sind Drucker und Verleger nach Orten sortiert. Appendix 3 enthält Angaben zu Buchbinderwerkstätten nach der Einbanddatenbank EBDB und den Angaben von Kyriss. In Appendix 4 wertet die Bearb. die ungedruckte Diss. von Franz Samma (1926) zu dem Antoniterpräzeptor Petrus Mitte de Caprariis und seiner Bibliothek aus. Während in Appendix 5 die Signaturen von 1867/68 den neu eingeführten Bezeichnungen zugeordnet wurden, fehlt eine Bezugnahme auf die 1643 beschriebenen Drucke und auf die ISTC-Bezifferung. Bei der Beschreibung von 3.62 (G-33 und I-12) ist nicht hingewiesen auf das Fragment einer Hs. des Sachsenspiegels mit Glosse, das zur Verstärkung eingebunden wurde. Es ist zu vermuten, dass die Erstellung des Verzeichnisses nicht als Chance genutzt wurde, alle beschriebenen Drucke auf ähnliche Funde zu sichten. Das Werk zeigt trotzdem beeindruckend, welche Schätze eine ehemalige Reichsstadt über mehr als fünf Jahrhunderte bewahren konnte.

Ulrich-Dieter Oppitz

 

(Rezensiert von: E-Mail: ulrich-oppitz@t-online.de)