DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Emma O. Bérat / Rebecca Hardie / Irina Dumitrescu (eds.), Relations of Power. Women’s Networks in the Middle Ages (Studien zu Macht und Herrschaft 5) Göttingen 2021, V&R unipress / Bonn Univ. Press, 199 S., Abb., ISBN 978-3-8471-1242-6, EUR 40. – Der Band geht auf eine internationale Tagung 2018 zurück, die im Kontext des Bonner SFB „Macht und Herrschaft – vormoderne Konfigurationen in transkultureller Perspektive“ organisiert wurde. Sein Ziel ist es, aufzuzeigen, wie weibliche Netzwerke und Kommunikationsbeziehungen zwischen 300 und 1700 „power“ konstituierten und formten. Der regionale Schwerpunkt liegt auf Europa, nur ein Beitrag beschäftigt sich mit dem islamischen Raum. Für den englischen Begriff „power“ gibt es keine direkte deutsche Entsprechung; um seine verschiedenen Facetten fassen zu können, spricht man im Deutschen zumeist von „Macht und Herrschaft“. Während in der Einleitung zwar auf den Begriff des Netzwerks eingegangen wird, fehlen leider vergleichbare Überlegungen zu den Konzepten von „Macht und Herrschaft“. Die Netzwerkanalyse begreifen die Hg. als ein wirksames Instrument, um die vielfältigen Funktionen und Kommunikationsformen von Frauen in vormodernen Herrschaftszusammenhängen sichtbar zu machen. Gefragt wird nicht nur nach den Arten der Netzwerke, sondern auch, in welchen Quellengruppen sie auf welche Arte und Weise abgebildet werden. Zwar werden Angebote der sozialen Netzwerktheorie kurz erwähnt, aber es bleibt den einzelnen Vf. überlassen, ob sie einen theoriegeleiteten Zugriff wählen, und wenn ja, welcher Art. Die Beiträge beschäftigen sich mit Frauen des Adels in Kloster und Welt und fokussieren auf unterschiedliches Quellenmaterial wie Urkunden, Genealogien, Traumvisionen, Artefakte und Schmuck sowie Alltagsgegenstände. Diese Breite führt zwar einerseits zu einer gewissen Beliebigkeit des Ansatzes, andererseits zeigt das aber auch die Vielfalt weiblicher Netzwerke auf, die bisher so noch nicht berücksichtigt worden sind, etwa für Fragen der Herrschaftsweitergabe. Soziale Netzwerktheorien werden vor allem von Julia Hillner / Máirín MacCarron (S. 19–44) zu weiblichen Netzwerken und den exilierten Bischöfen Liberius von Rom und Wilfrid von York sowie von Lucy K. Pick (S. 45–66) zu Netzwerken und Gender am spanischen Hof im 11. und im 17. Jh. angewandt. Die Vf. arbeiten mit quantitativer Datenanalyse und Netzwerk-Visualisierungen. Während das Bildmaterial bei H. / M. hervorragende Einblicke in Methode und Ergebnisse liefert, benötigt man für die Lektüre der Daten-Visualisierung bei P. auf S. 56f. leider eine Lupe. In Summe ist hervorzuheben, dass vor allem die Bedeutung materieller Objekte und ihrer Transmission durch die Beiträge sichtbar wird, z.B. bei Mercedes Pérez Vidal (S. 105–132) zum Buchbesitz kastilischer Frauenklöster oder besonders deutlich bei Jitske Jasperse (S. 67–84) zu familiären Verbindungen der Plantagenets, und gewinnbringend für die Zukunft erscheint. Bei diesen Beiträgen stellt sich die Frage, ob es sich nicht doch gelohnt hätte, nach der Agency von Objekten im Sinne einer Akteurs-Netzwerk-Theorie zu fragen. Der Band bietet insgesamt eine anregende Lektüre – für Fragen der Mensch-Objekt-Beziehung unter Gender-Perspektive und für methodische Zugänge zu weiblichen Netzwerken. Welche Formen von Macht und Herrschaft damit verbunden waren, müsste noch näher bestimmt werden.

Christine Kleinjung

(Rezensiert von: Christine Kleinjung)