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Materialität, Inschriftlichkeit und schrifttragende Artefakte im mittelalterlichen Rom, hg. von Wolf Zöller (Materiale Textkulturen 44) Berlin 2023, De Gruyter, VI u. 260 S., Abb., ISBN 978-3-11-124355-9, EUR 89,95. – Nach „Einleitung und Ausblick“ des Hg. (S. 1–20) eröffnet Arnold Esch (S. 21–40) den Sammelband mit einem bildhaften und lebendigen Überblick über die Materialität der am häufigsten verwendeten Schriftträger im ma. Rom (Metall, Stein, Pergament und Papier) – und deren Vergänglichkeit. Sebastian Scholz (S. 41–55) beschäftigt sich mit der päpstlichen Epigraphik des frühen MA. Er beschreibt je eine Inschrift der Päpste Gregor I. und Gregor II., die die Übertragung von Gütern an die Kirche Roms zum Gegenstand haben. Er zeigt, wie im Layout der beiden Inschriften die relevanten Stellen hervorgehoben werden und der Lesbarkeit Rechnung getragen wird. Ein verwandtes Thema bearbeitet Arianna Nastasi (S. 57–78): Sie beschreibt, erläutert und ediert fünf Urkunden des 6.–9. Jh., die als sehr große Inschriften (carte lapidarie) überliefert sind. Unklar bleibt, ob diese Inschriften entstanden sind, um ihren Erhalt zu sichern, oder um ihren Inhalt der Öffentlichkeit zu zeigen. Wolf Zöller (S. 79–93) behandelt die Grabinschriften der frühma. Päpste in St. Peter und St. Johannes im Lateran, insbesondere die Frage, wie die nicht immer öffentlich zugänglichen Räume, in denen diese Inschriften sich befanden, zu „commemorative and communicative spaces“ wurden und zur Entstehung der urbanen Landschaft beitrugen. Die theologisch motivierten Gründe für die Umsetzung bestimmter Grabinschriften an einen ‘besseren’ Ort, etwa derjenigen von Papst Leo I., sind dabei von besonderer Bedeutung. Julian Zimmermanns (S. 95–120) langer Beitrag über das „Massenmedium Münze“ ist zunächst als Einführung in die Numismatik zu lesen. Auf den letzten sieben Seiten behandelt er die Ikonographie (und die Materialität) der stadtrömischen Münzen von der Mitte des 12. (Entstehung der Kommune) bis zur Mitte des 14. Jh. (Cola di Rienzo). Hier fehlen leider die Bilder, die das Geschriebene hätten erläutern können. Bilder fehlen ebenso zu dem etwas weitläufigen Aufsatz von Nicoletta Giovè Marchioli (S. 121–144) über stadtrömische Grabdenkmäler des 13.–15. Jh. Ihre Beschreibungen gründen weitgehend auf dem Repertorium von Garms / Juffinger / Ward-Perkins (1981, vgl. DA 40, 299–301). Die Materialität der Grabinschriften wird durchgehend hervorgehoben. Eine faszinierende Lektüre bietet Andreas Rehberg (S. 145–176) über gemeißelte und gemalte Wappen als Markzeichen des öffentlichen Raums in Rom (14.–frühes 16. Jh.). Überwiegend anhand von nur teilweise beschrifteten Wappen auf belebten Plätzen wird erklärt, wie regierende Päpste, Kardinäle und andere Würdenträger sich selbst und ihre Wohltaten zugunsten der Verschönerung und Verbesserung des öffentlichen Raums inszenierten. Einen Wendepunkt bildete die Rückkehr der Päpste nach Rom (1377). Hier sind die Abbildungen ungemein hilfreich zum Verständnis des Textes. Reich bebildert ist auch David Ganz’ (S. 177–238) langer Aufsatz über Inschriften auf kirchlichen Prachteinbänden des Früh- und Hoch-MA. Im Zentrum steht das Evangeliar aus S. Maria in Via Lata und die Inschriften auf seinem silbernen Einband. Nur diese Hs. stammt aus Rom, die übrigen, die hier besprochen werden, aus dem Frankenreich. Wer ‘spricht’ in den Inschriften und zu wem? Wie beziehen sich diese Inschriften auf den Inhalt der Hss. und auf die bildlichen Darstellungen auf den Einbanddeckeln? G. betrachtet die Inschriften als Paratexte, die in einem komplexen Verhältnis zum Schriftträger stehen. Thomas Frenz (S. 239–252) behandelt Materialien, die in der päpstlichen Kurie verwendet wurden: Papyrus für Papsturkunden bis 1057, Pergament ab 1005 bis in die Neuzeit, während Papier ab dem 14. Jh. für die vorläufigen päpstlichen Register (zunächst in Avignon), für Konzepte und für eingereichte Suppliken verwendet werden konnte. Nebenbei erfährt der Leser einiges über besondere Schriftstücke wie das Breve supplicatione introclusa, sola signatura gültige Suppliken und Sammelablässe. Unabhängig von den zweifellos vorhandenen Qualitäten der einzelnen Beiträge bleibt unklar, wo der Mehrwert des Sammelbandes liegt. Die Schriften auf den behandelten Artefakten sind in Materialität und Funktionen sehr unterschiedlich und können kaum aufeinander bezogen werden. Auch der in jedem Beitrag mehr oder weniger prominent vorhandene Bezug der Artefakte auf Rom kommt leider nicht wirklich zum Tragen.

Eef Overgaauw