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Marius Kraus, Ulrich von Hutten und seine Gegner. Humanistische Invektiven am Vorabend der Reformation (Transalpines Mittelalter 1) Baden-Baden 2022, Ergon Verlag, 555 S., 47 Abb. (darunter 4 Karten u. 4 Diagramme), ISBN 978-3-95650-914-8, EUR 114. – Die Studie entstand im Rahmen des Dresdener Sonderforschungsbereichs 1285 „Invektivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung“ (TU Dresden, 2017–2022, Teilprojekt D: „Agonale Invektiven. Schmährededuelle im italienischen und deutschen Humanismus“) und wurde im Sommersemester 2022 als Diss. angenommen. Der dem Ritterstand angehörende Dichter und Publizist Ulrich von Hutten (1488–1523) wird einleitend als ein Musterbeispiel „transalpiner Invektivkompetenz“ (S. 41–63) vorgestellt, dessen zahlreiche lateinische und deutsche Streitschriften auf der Grundlage moderner Emotions- und Konstellationsforschung eingehend analysiert werden. Das erste Hauptkapitel (S. 79–192) beschreibt Huttens vier literarische Fehden gegen die Greifswalder Patrizierfamilie Lötz, Herzog Ulrich von Württemberg, die Straßburger Ordensgeistlichkeit und Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz, besonders unter den Aspekten Medialität und Öffentlichkeit; ein Textanhang (S. 407–446) bietet hierzu 26 Quellentexte zu den vier Fehde-Komplexen, darunter etliche Straßburger Archivalien, aber auch Kaiser Maximilians Dichterdiplom für Hutten vom 12. Juli 1517. Im zweiten Hauptkapitel (S. 193–300) werden Huttens Parteinahme in Johannes Reuchlins 1510–1521 ausgetragener Kontroverse um die jüdischen Bücher sowie der öffentlich ausgefochtene Streit zwischen Hutten und Erasmus (1522/23) in den Blick genommen; im Zentrum stehen dabei die von Hutten mitverfassten Epistolae obscurorum virorum, seine unter Pseudonym publizierte Dichtung Triumphus Capnionis und seine Expostulatio cum Erasmo. Das dritte Hauptkapitel (S. 301–392) schließlich ist den antirömischen Invektiven gegen das Papsttum und die Kurie gewidmet, mit deren Vertretern Hutten 1519–1523 scharf abrechnet. Eine Zusammenfassung (S. 393–405), eine umfangreiche Bibliographie (S. 453–540) sowie ein Register (Orte, Personen, Werke) runden den Band ab. Angesichts der häufigen Bezugnahme auf Luther und auf Ereignisse der frühen, aber zentralen Jahre der Reformation erscheint der Untertitel („am Vorabend [!] der Reformation“) etwas überraschend; die S. 341 formulierte Frage, ob wir es bei Huttens polemisch ausgerichteter Editorentätigkeit eher mit „paratextualisierten Invektiven“ oder „invektiven Paratexten“ zu tun haben, wirkt etwas müßig – fast schon wie die satirische Frage aus Epistolae obscurorum virorum 1,1, ob es magister nostrandus oder noster magistrandus heißen müsse; an einigen Stellen häufen sich Druckfehler (etwa S. 290–293). Gleichwohl ist K. ein sehr modernes, gelehrtes und anregendes Buch gelungen.

Matthias Dall’Asta