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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,2 (2024) *.

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Ulrich Eisenhardt, Kaiserliche Gerichtsprivilegien. Ihre Bedeutung für die Entwicklung der Rechtspflege im Alten Reich (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 78) Wien – Köln 2023, Böhlau, 442 S., ISBN 978-3-412-52857-7, EUR 70. – Die Studie hat sich viel vorgenommen. Ihr Ziel ist es, die Wirkung und Bedeutung von Gerichtsprivilegien für die Rechts- und Verfassungsordnung des Alten Reichs vom MA bis zum Jahr 1806 zu beschreiben. Dies geschieht streng systematisch aufgebaut in drei Großkapiteln, die zuerst die Gerichtsprivilegien und die -verfassung im MA und in der frühen Neuzeit beschreiben. Im letzten Kapitel wird die Wirkung der Gerichtsprivilegien in den beiden Epochen besprochen. Dies geht nicht ohne Redundanzen. Privilegien sind für E. Mittel, um Zuständigkeiten von Gerichten zu definieren. Sie bildeten zwar keine allgemeine Norm, boten aber mehr als eine Regelung des Einzelfalls. Der Vf. beschreibt die Gerichtsverfassung des Reichs und betont die Stellung des Königs/Kaisers als oberster Gerichtsherr im Reich, da alle Gerichtsgewalt und damit alle Privilegienerteilung von ihm ausging. Es folgt eine Aufzählung der ma. Gerichte und ihrer Funktionen sowie eine Erörterung der unterschiedlichen Privilegien und ihres Bedeutungswandels im Lauf der Jahrhunderte. Ausgiebig erörtert werden zudem die Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit in geistlichen und weltlichen Streitigkeiten, die seit dem 11. Jh. geführt wurden. Schließlich bildete sich eine klare Linie heraus: Weltliche Angelegenheiten gehörten vor weltliche Gerichte, geistliche vor geistliche. Allerdings gelang diese Unterscheidung in den geistlichen Fürstentümern in der frühen Neuzeit nicht vollständig. Gerade das Reichskammergericht bemühte sich, besonders nach der Einrichtung einer Nuntiatur in Köln 1584, die Rechte von Kaiser und Reich gegenüber dem Papst zu wahren. In Bezug auf den Reichshofrat macht sich E. die These von Tobias Schenk zu eigen, dass Konfliktlösung immer eine politische Komponente besaß und dass der Reichshofrat dies nicht nur zu Krisenzeiten berücksichtigte. E. unterscheidet trennscharf zwischen den verschiedenen Kompetenzen des Reichshofrats als Gericht, Staatsrat sowie Regierungs- und Verwaltungsbehörde. Seine Aufgabe war es, die Anträge auf Privilegien zu prüfen. Hierfür wertet E. die neu erschienenen Findbücher zum Reichshofrat sorgfältig aus. Sie machen allerdings nur einen sehr kleinen Teil des umfangreichen Materials zugänglich. Dies wird in der Darstellung nicht an allen Stellen klar (S. 272, 296, 311). Hier hätte man sich mehr Sensibilität gegenüber Zahlen und ihrem Aussagewert gewünscht. Der Vf. stellt klar, dass er nicht der Ansicht sei, dass der Reichshofrat eine Aufsicht über das Reichskammergericht innegehabt habe, fest stehe jedoch, dass der Reichshofrat auch bei Privilegienverletzungen tätig geworden sei. Insgesamt handelt es sich um ein gründlich recherchiertes rechtshistorisches Nachschlagewerk, das die einzelnen Gerichtsprivilegien im Zusammenhang mit der Reichsverfassung grundlegend und systematisch beschreibt.

Anette Baumann