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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 80,1 (2024) *.

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Helga Giersiepen / Andrea Stieldorf (Hg.), Über Grenzen hinweg – Inschriften als Zeugnisse kulturellen Austauschs. Beiträge zur 14. Internationalen Fachtagung für mittelalterliche und frühneuzeitliche Epigraphik, Düsseldorf 2016, Paderborn 2020, Brill / Schöningh, 287 S., Abb., ISBN 978-3-506-70313-2 (paperback), 978-3-657-70313-5 (e-book), EUR 134. – Wissenschaftler verschiedener geisteswissenschaftlicher Disziplinen aus sieben europäischen Ländern befassten sich im Rahmen der Düsseldorfer Fachtagung für Epigraphik mit Transfer und Aneignung kultureller Techniken und Errungenschaften über Grenzen hinweg. Die ersten beiden der insgesamt zehn Beiträge stellen grundsätzliche Überlegungen zum Begriff Grenze und zum Umgang mit fremden Kulturen im ma. Europa an, so Enno Bünz, Grenzenloses Mittelalter? Beobachtungen und Überlegungen zur Geschichte, Gestalt und Funktion von Grenzen (S. 11–52), der verschiedene Arten von weltlichen und kirchlichen Grenzen mit sehr vielfältiger Funktion und Reichweite und mit unterschiedlicher Wirkung auf die alltäglichen Lebenswelten aufzeigt, und Andrea Stieldorf, Unbekannte Objekte? Das mittelalterliche Europa und sein Umgang mit fremden Kulturen (S. 53–78), die die Umgangsweisen mit Artefakten fremder Herkunft in Europa beleuchtet. – Wolfgang Haubrichs, Könige, Notare, Adel und ein Söldner. Onomastische Aspekte der Migration und Identität einer ‘gens’ im Spiegel der langobardischen Inschriften des 6.–8. Jahrhunderts (S. 79–104), bekundet eine starke Bewahrung der sprachlichen Germanizität im Namengut langobardischer Inschriften, die aber auch Wanderungen und Wandlungen von Identitäten von Menschen und Gruppen bezeugen. – Tanja Kohwagner-Nikolai, Der Einfluss des Fremden. Die textilen Inschriften der Bamberger Kaisergewänder – ein Zwischenbericht (S. 105–135), dokumentiert Reparaturen und teilweise tiefgreifende Veränderungen an der zu den Kaisergewändern Heinrichs II. zählenden Objektgruppe (Reitermantel, Tunika Heinrichs II. oder Kunigundes, blauer Kunigundenmantel, sogenannter weißer Kunigundenmantel, Sternenmantel Heinrichs II., Bamberger Rationale) und diskutiert deren in- und fremdländische künstlerische Einflüsse. – Estelle Ingrand-Varenne, Beyond Graphical Boundaries: Arabic Writing and a Poem to the Virgin Mary inscribed on the Tympanum of Saint-Pierre-le-Puellier at Bourges (S. 137–157), geht der Frage nach, wieso und in welcher Weise eine arabische Schrift im Verbund mit einer lateinischen Inschrift in einem Tympanon des 12. Jh. mit mariologischem Programm zum Einsatz kam. – Juraj Šedivý, Über (Sprach)Grenzen hinweg: Deutschsprachige Inschriften des 14. bis 16. Jahrhunderts in der Slowakei (S. 159–183), verweist auf eine späte Rezeption der deutschen Sprache im ma. Oberungarn (heutige Slowakei), wobei sich die deutschsprachigen Grabinschriften im Raum Pressburg (Bratislava) verdichten und Einflüsse aus dem österreichischen Donauraum erkennen lassen, während die deutschsprachigen Glocken- und Taufbeckeninschriften sich auf den Zipser Raum (Spiš) konzentrieren und Verbindungen zu Kleinpolen und Schlesien aufweisen. – Krzysztof Maciej Kowalski, Inschriften auf gotischen Trachtenaccessoires in hanseatischen Städten. Form, Text und Funktion der Epigraphik mittelalterlicher Kleidung (S. 185–209), klassifiziert die inschriftentragenden Trachtenaccessoires und differenziert zwischen Objekten, die ihre Nutzfunktion mit dekorativen und anrufenden Funktionen verbanden, Objekten ohne praktische Funktion, aber mit dekorativ gestalteten Anrufungen sowie Objekten mit kommemorativer, anrufender oder apotropäischer Funktion. – Simona Slanicka, „Bastard Feudalism“ als Multiplikation von Herrschaftszeichen: Aufsteiger, Condottieri und die neue ephemere Hofrepräsentation in Frankreich und Italien (S. 211–233), konstatiert die Umgestaltung der Adelsgesellschaft und ihrer Zeichensprache durch den Hundertjährigen Krieg im Aufkommen von neuen, paraheraldischen Repräsentationsformen (Badges, Devisen, Livreen, Motti, Farben). – Zwei weitere Aufsätze behandeln frühneuzeitliche Themen.

Franz-Albrecht Bornschlegel

(Rezensiert von: Franz-Albrecht Bornschlegel)