Maria Theisen unter Mitarbeit von Irina von Morzé, Mitteleuropäische Schulen VII (ca. 1400–1500). Böhmen – Mähren – Schlesien – Ungarn. Mit Beiträgen von Ulrike Jenni (†) / Kristina Klebel / Irina von Morzé / Milada Studničková / Maria Stieglecker / Maria Theisen / Edina Zsupán (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Denkschriften 540 = Veröffentlichungen zum Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe 1: Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibliothek 17) Wien 2022, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Textbd. XVII u. 987 S., Tafelbd. 31 S., 780 Abb. auf ungezählten Tafeln, 50 S. Registerteil, ISBN 978-3-7001-8861-2, EUR 290. – Der siebte Band der seit 1997 erscheinenden Reihe umfasst kunsthistorische Beschreibungen all jener illuminierten Hss. und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibl. in Wien, die im 15. Jh. in den ehemaligen Ländern der böhmischen Krone, im Deutschordensland sowie in den Königreichen Polen und Ungarn ausgestattet oder gebunden worden sind, wobei erstmals auch die illuminierten Antiphonare und Gradualien aus der Musiksammlung der ÖNB Aufnahme gefunden haben. Gemäß den bewährten Richtlinien der Reihe werden die Hss./Drucke nach Regionen geordnet präsentiert; innerhalb derselben werden die mit außergewöhnlich niveauvollem und/oder umfangreichem Schmuck ausgestatteten Bände mit ausführlichen Beschreibungen gewürdigt, während die weniger bemerkenswerten Stücke unter der Rubrik „Geringfügig illuminierte Handschriften und Inkunabeln“ jeweils nur in Kurzform beschrieben werden; innerhalb dieser beiden Gruppen wiederum wird jeweils chronologisch geordnet. Die auf diese Weise zustandegekommenen 164 Nummern werden durch mehrere Indices im Registerband gut erschlossen; anders als in den Vorgängerbänden wird die Wasserzeichenanalyse aber nicht mehr in Form eines Registers präsentiert, sondern in die Internet-Datenbanken mansucripta.at bzw. WZMA ausgelagert – angesichts der Zunahme der Buch-Produktion im 15. Jh. im allgemeinen und insbesondere der Papier-Hss. eine nachvollziehbare Entscheidung; bei den Inkunabeln wurde, da sie meist eine genaue Datierung bieten oder diese gut eingrenzbar ist, auf eine Erfassung der Wasserzeichen überhaupt verzichtet. Abgesehen von zahlreichen neuen kunsthistorischen Ergebnissen (hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass sich im hier katalogisierten Bestand auch eine Reihe von Corvinen finden) führte die Erschließung zu einer Reihe von Erkenntnissen, die auch für die allgemeine Mediävistik bzw. Kulturgeschichte von Relevanz sind; so konnte etwa die von der neueren Forschung gegen ältere Thesen vertretene Ansicht, dass der hussitische Ikonoklasmus keineswegs zu einem Niedergang der Buchmalerei führte und man es bei den einschlägigen Hss. mit einem komplexen, ideologische Grenzen ignorierenden Beziehungsgeflecht zwischen Auftraggebern und Illuminatoren zu tun hat, untermauert werden. Angesichts der stetig fortschreitenden kunsthistorischen Katalogisierung der Bestände der ÖNB kann allerdings ein in dieser Zeitschrift schon wiederholt vorgebrachtes Lamento auch diesmal nicht unterbleiben, nämlich der Hinweis auf den im europäischen Vergleich deplorablen Zustand der inhaltlichen Tiefenerschließung der Wiener Hss. Diese wäre dringender denn je notwendig und kann nicht durch (punktuell möglicherweise Linderung bietende) unsystematische Ergänzungen auf Datenbanken wie manuscripta.at ersetzt werden, sondern müsste systematisch angegangen werden.
M. W.
(Rezensiert von: Martin Wagendorfer)