Wolfgang Brandis / Hans-Walter Stork (Hg.), Klosterarchiv und Klosterbibliothek. Ein Blick auf die Lüneburger Klöster und darüber hinaus. X. Ebstorfer Kolloquium 2013, Berlin 2021, Lukas Verlag, 240 S., Abb., ISBN 978-3-86732-363-5, EUR 30. – Die hier versammelten Beiträge gehen auf das bereits 2013 abgehaltene 10. Ebstorfer Kolloquium zum Thema „Archiv und Bibliothek in den Lüneburger Klöstern“ zurück. Wolfgang Brandis, Genese und Bedeutung der Archive der sechs selbständigen Lüneburger Frauenklöster (S. 17–51), erläutert kurz die Geschichte der Frauenklöster Walsrode, Lüne, Ebstorf, Wienhausen, Medingen und Isenhagen sowie anhand des Baubefunds und schriftlicher Quellen die Lokalisierung des Archivraums im jeweiligen Kloster und gibt anschließend einen informativen Überblick über die Archivbestände und die Geschichte ihrer Verwendung in der historischen Forschung seit dem 18. Jh. – Holger Nickel, Texte werden Bücher. Spätmittelalterliche Einbände in den Heideklöstern (S. 52–70), wertet schriftliche Quellen wie Rechnungsbücher sowie die Einbände von Hss. und Drucken aus den Heideklöstern selbst aus und kommt zu dem Schluss, dass man auch auf dem Gebiet der Einbandwerkstätten von einer starken überregionalen Verflechtung des Buchwesens auszugehen habe. – Hermann-Josef Schmalor, Die Bibliotheken der westfälischen Zisterzienser. Hardehausen, Marienfeld, Bredelar (S. 71–93), gibt einen Überblick über die Geschichte der drei Sammlungen, deren Bücher sich nur mehr als disiecta membra in verschiedenen Bibliotheken erhalten haben, und stellt jeweils eine bedeutende Hs. daraus detaillierter vor (Hardehausen: Leiden, UB, BPL 191 E, eine Sammelhs. mit dem Computus emendatus des Magister Reinher von Paderborn, Ende 12. Jh.; Marienfeld: Berlin, SBPKB, Ms. lat. fol. 735, mit einer Bücherliste Marienfelds aus dem ersten Drittel des 13. Jh.; Bredelar: Darmstadt, ULB, Hs. 1993, 825, 824, eine dreibändige Bibel, zweites Viertel 13. Jh.). – Katharina Talkner, Sammeln, Singen, Lesen. Die nachreformatorischen Liedhandschriften der Lüneburger Klöster (S. 94–114), versucht für mehrere frühneuzeitliche Liederhss. (KA Ebstorf, Hs VI 15; KA Lüne, KBhist 78; Isenhagener Liederheft in KA Isenhagen, KBhist ML 41; hsl. Ergänzungen in KA Walsrode 3) aufgrund des Inhalts und der Benutzerspuren Erkenntnisse über ihren Gebrauch (private Liederbücher etc.) zu gewinnen. – Hans-Walter Stork, Archiv- und Bibliotheksbauten der Benediktiner und Zisterzienser. Ein Blick auf Ausführung und Ikonographie (S. 115–169), gliedert seinen Überblick in drei Abschnitte, in denen zunächst die Bibliotheksräume im Kontext der Klosterarchitektur, dann die Einrichtungen der Räume (Büchertruhen etc.) und abschließend sehr kurz die Bücherbestände der Lüneburger Klöster behandelt werden. – Ulrike Hascher-Burger (†), „Sammelt die übrigen Brocken“ – Mittelalterliche Musikfragmente im Kloster Isenhagen (S. 170–183), vermutet, dass von den sieben im Isenhagener Klosterarchiv heute vorhandenen Musikfragmenten (mit Ausnahme eines Missale-Fragments aus dem „12./13. Jh.“ durchweg 15./16. Jh.), von denen drei ein und derselben Hs. zuzuweisen sein dürften, nur drei Fragmente aufgrund ihrer späteren Verwendung als Einbände von Wirtschaftsbüchern des Klosters mit einiger Wahrscheinlichkeit aus Isenhagen stammen könnten, während die Lokalisierung der übrigen Stücke unsicher bleiben muss. – Kerstin Schnabel, Bücherstifter der Lüneburger Klöster (S. 184–204), erläutert exemplarisch Bücherstiftungen des (männlichen) Führungspersonals der Lüneburger Frauenklöster (insbesondere Nikolaus Graurock, Propst von Lüne; Tilemann von Bavenstedt, Propst von Medingen; Matthias von dem Knesebeck, Propst von Ebstorf) und konzentriert sich dabei vor allem auf den sozialen Hintergrund und die Biographien der Stifter. – Carla Dauven-van Knippenberg / Elisabeth Meyer, Wienhausen Hs. 80 (um 1400). Reflexionen über ein Format im Kontext der Überlieferung (S. 205–226), schließen aus der Tatsache, dass in der eine Visitatio sepulchri enthaltenden Miniatur-Hs. kein eigentliches Palimpsest vorliegt, sondern nur teilweise Spuren von radierten Schriftresten zu finden sind, dass in diesem Fall wie auch bei anderen der in Wienhausen in bemerkenswerter Dichte überlieferten kleinstformatigen Codices die (leeren) Ränder von makulierten Pergament-Hss. verwendet wurden, womit das Format größtenteils vorgegeben war. – Hedwig Röckelein, Reliquienauthentiken aus dem Kloster Wienhausen. Puppengeschirr und „Griechisches“ in Wienhausen (S. 227–251), wertet mustergültig den Inhalt einer Reliquienkiste aus, darunter zwei Reliquienauthentiken (12. Jh.), ein Fragment eines Reliquienverzeichnisses (14. Jh.) und eine spektakuläre, auf der metallenen Hülse eines Speichenknochens angebrachte griechische Inschrift, die nunmehr, wenn auch nicht sehr präzise datierbar, nicht nur als älteste Inschrift Wienhausens zu gelten hat, sondern auch die älteste ihrer Art im gesamten norddeutschen Raum sein dürfte. – Jörg Voigt, Die schriftliche Überlieferung der Evangelischen Frauenklöster der Fürstentümer Calenberg und Lüneburg im Niedersächsischen Landesarchiv (im Inhaltsverzeichnis S. 8 unter dem abweichenden Titel „Die klösterliche Überlieferung aus den welfischen Territorien im Niedersächsischen Landesarchiv“) (S. 252–264), erläutert detailliert die archivalischen Bestände der Klöster (Fürstentum Calenberg: Barsinghausen, Mariensee, Marienwerder, Wennigsen, Wülfinghausen; Lüneburg: Ebstorf, Isenhagen, Lüne, Medingen, Walsrode, Wienhausen) im NLA und den Weg, auf dem die Quellen dorthin gelangt sind. – Leider wurde aus unverständlichen Gründen, zumal wenn man den ohnehin langen Zeitraum zwischen Kolloquium und Erscheinen des – sehr lesenswerten! – Tagungsbandes bedenkt, auf die Beigabe jeglichen Registers verzichtet, was insbesondere hinsichtlich der zitierten Hss. und Archivalien, die unbedingt einen Index verdient hätten, sehr bedauerlich ist.
M. W.
(Rezensiert von: Martin Wagendorfer)